Einführung:
Fliegen mit dem Motorrad
Die Wege aus Europa heraus in ferne Länder sind leider oftmals nicht so einfach wie man es sich vorstellt. Gewaltsame Konflikte, politische Feindschaften zwischen Nachbarländern, Epidemie oder Pandemie bedingte Einreisesperren oder seltsame Vorschriften für Überlandreisende können schnell zum vorzeitigen Aus des Weltreise-Traumes führen.
Auf unserer vergangenen Reise während der COVID Pandemie, den Bürgerkriegen in Lybien, Syrien, Äthiopien und willkürlichen Grenzschließungen wegen verschiedener COVID-Viren stehen wir drei Mal in der Sackgasse, von allen Seiten umgeben von geschlossenen Grenzen.
Nun haben wir die Wahl: Aufgeben, Verschiffen (sofern ein Hafen vorhanden) oder Fliegen.
Erstere Option kommt natürlich nicht in Frage.
Zweite Option ist mit sehr langen Wartezeiten ohne fahrbaren Untersatz verbunden.
Letztere Option hielten wir für äußerst kompliziert und teuer... bis wir uns näher damit befasst haben...
Es gibt mehrere Möglichkeiten ein Motorrad als Luftfracht zu versenden und in zwei Flughäfen ist es niemals derselbe Prozess. Nach dem dritten Flug mit unseren Motorrädern jedoch können wir ein paar allgemeine Prinzipien weitergeben, die mitunter viel Geld, Zeit und Mühe sparen können.
Berechnet wird der Preis nach Gewicht bzw. Volumen der Fracht. Dabei zählt die Palette bzw. die Kiste auf bzw. in welcher das Motorrad transportiert wird ebenfalls.
Wie das Bruttogewicht ermittelt wird, ist klar: Die endgültige Konstruktion mit dem Motorrad wird auf eine große Paketwaage gestellt und das Gesamtgewicht ermittelt.
Neben dem “echten” Gewicht wird aber bei der Luftfracht noch das Volumengewicht ermittelt. Hierzu werden die Maße der Transportkonstruktion mit Motorrad darauf multipliziert, um das Volumen der Fracht zu ermitteln. Das berechnete Volumen in Kubikzentimetern wird dann durch den Faktor 6000 geteilt und heraus kommt das Volumengewicht in Kg. Bezahlen tut man immer das anrechenbare Gewicht, welches immer das höhere der beiden Gewichte ist. Ist das Volumengewicht größer, so wird dieses berechnet, ist das Bruttogewicht höher, so zahlt man dieses.
Es wäre also optimal, wenn man beide Gewichte bei der Konstruktion der Verpackung und dem eventuellen Zerlegen der Motorräder annähernd auf dieselbe Größe bekommt. Mit anderen Worten: Volumengewicht und Bruttogewicht sollten sich möglichst nah beieinander befinden, damit der Frachtpreis nicht durch die Decke schießt. Wenn man sein Motorrad durch Ausbau der Reifen (zumindest vorne), Abnehmen der Scheibe und Verdrehen des Lenkers in eine kompakte Box oder auf eine niedrige Palette (deutlich weniger Bodenfreiheit als eine Europalette) zurrt, so nähert man sich mit dem meist höheren Volumengewicht, dem Bruttogewicht, in der Regel ganz gut an.
Wer sein Motorrad mit montierten Koffern, Reifen und Scheibe einfach auf zwei zusammengeschraubte Europaletten stellt und dann mit 10er Kanthölzern eine Box drum herum zimmert, der kommt problemlos auf ein Volumengewicht von 800 Kg, obwohl das Motorrad mit Verpackung weniger als die Hälfte wiegt. Damit zahlt man dann eben auch doppelt so viel für die Fracht wie eigentlich nötig.
Neben dem reinen Frachtpreis kommen noch Lager- und Abfertigungsgebühren der Fluggesellschaft und der Behörden hinzu. Diese variieren je nach Land und Flughafen erheblich. Zollgebühren für die Erledigungen des Papierkrams bei den Behörden, Abfertigungsgebühren für die logistische Abwicklung innerhalb des Flughafens, Lagerungsgebühr für die Zeit des Wartens nach Aufgabe der Fracht bzw. vor der Abholung der Motorräder.
Routen
Grundsätzlich kann man sein Motorrad fast in jedem Internationalen Flughafen aufgeben oder entgegennehmen.
Entscheidend für den Preis ist die Flugfrequenz vom Abflughafen zum Zielflughafen, sowie der Typ des Flugzeuges, den die ausgewählte Fluggesellschaft nutzt. Bedingt wird das durch die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden betreffenden Länder.
Verkehren nur Passagiermaschinen, wird es mitunter schwierig überhaupt eine Luftfracht zu organisieren. Die Ladeluke kann je nach Flugzeugtyp niedriger als 100cm sein, was einen Motorradtransport selbst bei sehr kompakter Packweise schwierig macht. Wenn man gut im Packen ist und einen passenden Kontakt vor Ort findet, kann man mit etwas Glück aber auch hier zu guten Konditionen eine Luftfracht aushandeln.
Falls die Öffnung der verkehrenden Passagiermaschinen zu klein ist und nur gelegentlich Frachtmaschinen verkehren, sind die Preise für diese dementsprechend hoch.
Je höher die Frequenz der Frachtmaschinen ist, desto zügiger und günstiger kann man einen Transport organisieren.
Hier helfen diverse Online-Plattformen und Flugtracker, die einem das Flug- und Frachtaufkommen grafisch darstellen. Je mehr Linien die Länder verbinden, desto einfacher sollte eine Luftfracht werden. Wenn man sich eine grobe Route ausgesucht hat, dann gilt es das günstigste Angebot zu finden. Hier am besten die verkehrenden Fluggesellschaften und Speditionen im Ausgangsland anschreiben oder anrufen und die Angebote vergleichen.
Aus- und Einreiseformalitäten
Die Ausreise und Einreise erfolgt analog zum üblichen Prozedere an der Land- oder Seegrenze des jeweiligen Landes. Geforderte Zolldokumente (evtl. Carnet de Passage), Versicherung, Nummernschilder etc. werden bei der Ein- und Ausreise über den Luftweg ebenso kontrolliert und gestempelt wie überall sonst.
Es kann unter Umständen etwas komplizierter sein die zuständigen Büros zu finden, da die Einreise mit dem Motorrad über den Luftweg eher unüblich ist. Deshalb braucht man je nach Flughafen auch einen örtlichen Zoll-Helfer, der die Vorschriften und die Büros kennt. Wichtig ist, sollte man die Hilfe in Anspruch nehmen, vorher mit dem Helfer eine angemessene Vergütung für seine Dienste zu verhandeln, damit man danach nicht über den Tisch gezogen wird.
Kosten:
Frachtgebühr (nach Gewicht, berechnet wird immer die höhere Zahl)
--> Entweder: Echtes Gewicht (Motorrad inkl. Palette/Box) in KG
--> Oder: Volumengewicht in KG ((Länge x Breite x Höhe) / 6000)
Abfertigungsgebühr (meist im Frachtpreis, welchen man bei Aufgabe der Fracht bezahlt, enthalten)
--> Zollgebühr (Stempeln Carnet, Austragung des Fahrzeugs aus Reisepass, Endkontrolle der Fracht vor “Export”)
--> Sicherheitskontrolle (Benzin raus, Batterie abgeklemmt, evtl. Öl raus)
Sonstige Gebühren (meist bei Abholung der Fracht im Zielflughafen zu entrichten)
--> Bearbeitungsgebühr (Transport im Flughafen, Verladen der Fracht, Verzurren)
--> Lagerungsgebühr (I.d.R. nur im Zielflughafen und nur bei verzögerter Abholung zu entrichten, je nach Flughafen sind 24 - 72 Stunden Lagerung kostenlos)
--> Bezahlung für Zollabfertigungs-Helfer (falls notwendig)
Aufschläge
--> Gefahrgutaufschlag (je nach Ausgangsflughafen lässt sich diese Gebühr durch das professionelle Ablassen aller brennbaren Flüssigkeiten umgehen, innerhalb Europas wird es allerdings schwierig)
Anbieter:
Tunesien - Weltweit
--> Omer Ben von Scoop Cargo (www.scoopcargo.com)
Südafrika - Weltweit
--> Koos van Dyk von Personal Effects Logistics (www.personaleffectslogistics.co.za)
Deutschland - Weltweit
--> Olaf Kleinknecht von In Time (www.intime-ham.com)
Eigenbautipps:
Viele Spediteure verwenden für die Luftfracht spezielle Flugzeugpaletten. Diese sparen jedoch nur Gebühren, wenn man sie restlos voll packen kann und machen für den individuellen Motorradtransport, gerade bei kleineren Maschinen, oft nur wenig Sinn, da die komplette Fläche dieser oft viel zu großen Palette berechnet wird und auch die gesamte Höhe bis zur Decke, da diese Paletten nicht stapelbar sind.
Günstiger wird es, wenn man sein Motorrad auf ein oder zwei Europaletten bekommt und diese, wenn gefordert, mit einem Deckel versieht, damit gestapelt werden kann. In Deutschland ist eine Box sogar Pflicht.
Noch günstiger wird es, wenn man eine spezielle Palette beim Motorradhändler bekommt (diese werden zur Anlieferung neuer Motorräder verwendet und danach oft aussortiert).
Am besten ist es jedoch eine individuelle Palette für sein Motorrad komplett selbst zu bauen. Worauf man dabei achten muss, möchte ich hier erläutern.
Bei kleineren Flugzeugen ist der Hauptzweck der Palette das Motorrad mit dem Gabelstapler bewegen und im Flugzeugbauch verschieben zu können. Hier reicht wirklich eine Palette, das Bike darauf etwas in Folie gewickelt, um es vor Kratzern zu schützen.
Bei größeren Frachtmaschinen kommt die Anforderung der Stapelbarkeit hinzu. Hier muss die Palette zusätzlich mit einem Gerippe oder gar einem geschlossenen Deckel versehen werden, um noch weitere Güter darauf stapeln zu können.
Je nach Ausgangs- und Zielflughafen muss das verwendete Holz nach dem ISPM 15 Standard begast werden, um eine Verseuchung zu vermeiden. Holzwerkstoffe (Span-, Tischler-, Faserplatten, Sperrholz etc.) sind ausgenommen. Bereits verwendetes Transportholz welches vorher Begast und erkennbar als behandelt gekennzeichnet wurde (IPPC Stempel) kann unter Umständen ohne zusätzliche Begasung direkt wiederverwendet werden. Wichtig: Vorher abklären. Der nachträgliche Begasungsprozess kann, falls das Holz nicht akzeptiert wird, mitunter dreistellige Beträge kosten.
Ganz wichtig: Vorher mit der Fluggesellschaft bzw. dem Spediteur klären, was gefordert wird!
Konstruktionsideen:
Europaletten (die schnelle Variante):
Maße der Verpackungskonstruktion: Länge 180cm x Breite 80cm x Höhe 15cm
Gesamtmaße (HONDA CRF 250 L): 180 CM x 80 CM x 100 CM
Gewicht der Verpackungskonstruktion: 40 KG
Gesamtgewicht inkl. Palette (HONDA CRF 250 L): 187 KG
Volumengewicht der Verpackungskonstruktion (180 x 80 x 15 / 6000): 36 KG
Gesamtes Volumengewicht der Palette mit Motorrad (180 x 80 x 100 / 6000): 240 KG
Kosten (Tunis - Kairo): 350€ Frachtgebühr (inkl. Abfertigung in Tunis) Januar 2021, Egyptair, Spedition ScoopCargo
Abfertigungs- und Lagerungsgebühr (5 Tage) bei Ankunft in Kairo: 90€
Gerippe (die leichte Variante):
Maße der Verpackungskonstruktion: Länge 175cm x Breite 55cm x Höhe 0cm (Motorblock, Gabel, Hinterrad liegen auf dem Boden auf, Stapler fährt dazwischen)
Gesamtmaße (HONDA CRF 250 L): 175cm x 55cm x 85cm
Gewicht der Verpackungskonstruktion: 12 KG
Gesamtgewicht inkl. Gerippe (HONDA CRF 250 L): 159 KG
Volumengewicht der Verpackungskonstruktion (175 x 55 x 0 / 6000): 0 KG
Gesamtes Volumengewicht des Gerippes mit Motorrad (180 x 80 x 100 / 6000): 137 KG
Kosten (Kartoum - Nairobi): 500€ Frachtgebühr (inkl. Abfertigung in Kartoum) März 2021, Turkish Airlines, Spediteur des Internationalen Roten Kreuzes
Abfertigungs- und Lagerungsgebühr (12 Stunden) bei Ankunft in Nairobi: 120€
Box (die sichere Variante):
Maße der Verpackungskonstruktion: Länge 170cm x Breite 90cm x Höhe 6 cm
Gesamtmaße (2 x HONDA CRF 250 L): 170cm x 90cm x 90cm
Gewicht der Verpackungskonstruktion: 20 KG (10KG/Motorrad)
Gesamtgewicht inkl. Box (2 x HONDA CRF 250 L): 280 KG (140KG/Motorrad)
Volumengewicht der Verpackungskonstruktion (170 x 90 x 6 / 6000): 15 KG
Gesamtes Volumengewicht der Box mit Motorrädern (170 x 90 x 90 / 6000): 230 KG (115KG/Motorrad)
Kosten (Johannesburg - Istanbul): 600€ Frachtgebühr pro Motorrad (inkl. Abfertigung in Johannesburg) März 2022, Turkish Airlines, Personal Effects Logistics
Abfertigungs- und Lagerungsgebühr (24 Stunden) bei Ankunft in Istanbul: 60€ pro Motorrad
Zusammenfassung:
Konstruktion überlegen, Maße und Gewicht abschätzen
Ausgangs-/Zielflughafen wählen und Direktverbindungen herausfinden
Fluglinien und Spediteure anschreiben
Bestes/freundlichstes/zuverlässigstes/günstigstes Angebot auswählen und Details klären
Unterkunft/Holzhandel/Transporter und einen Handwerker in Flughafennähe finden
Palette Bauen, Benzin ablassen, Batteriepole abklemmen
Motorrad Verzurren, Verladen, Verfliegen
Spartipps:
Um Frachtgewicht zu sparen kann man sein Motorradgepäck sowie schwere Teile des Motorrads abmontieren und mit in das persönliche Fluggepäck nehmen, sofern man Platz hat. Jacke, Hose, Stiefel anziehen und Helm in die Hand nehmen (gilt als sicherheitsrelevantes Sondergepäck, welches man immer zusätzlich zum Handgepäck und kostenlos mit in die Kabine nehmen darf).
Satteltaschen zusammenzurren und bis zum Rand füllen, Hecktasche ebenfalls vollstopfen und aufgeben. In vielen Ländern hat man bei internationalen Flügen grundsätzlich 2 x 23 oder gar 2 x 30 Kg Gepäck kostenlos zu jedem Flug. Bordwerkzeug, Ersatzteile, Unterbodenschutz, Handprotektoren etc. abnehmen und mit ins Fluggepäck stopfen. Jedes Kilo zählt! Verschlissene Reifen, Schläuche, Kettensatz, Bremsbeläge, Öl etc. nicht durch die halbe Welt fliegen. Besser vor dem Verpacken abbauen und im Zielland neu aufziehen. Spart Gewicht und im Falle der Reifen sogar wertvolles Volumen.
Es gibt in der Regel verschiedene Aufschläge für besondere Frachtgüter. Im Falle des Motorrads kann es passieren, dass die Fracht wegen der Rückstände potentiell brennbarer oder ätzender Flüssigkeiten (Benzin/Öl/Batteriesäure) als Gefahrgut eingestuft wird. Die Aufschläge variieren je nach Ausgangs- bzw. Zielland und können schnell noch mal 100€ extra kosten. Um dies zu umgehen, reicht Außerhalb Europas oft ein Dokument mit einem schönen Logo einer Motorradwerkstatt und einem offiziell aussehenden Stempel mit Unterschrift auf welchem steht, dass die Flüssigkeiten aus dem Motorrad professionell entfernt wurden. In Deutschland ist dies jedoch nicht gängige Praxis.
Auch an den Abfertigungsgebühren kann man sparen, indem man die fertige Fracht mit dem Pickup eines Freundes vor Ort oder des Besitzers der Unterkunft vor Ort oder dem Mechaniker von Nebenan an den Flughafen fährt, statt den oft teuren Abholservice der Spedition oder Fluggesellschaft zu nutzen.
Holz und Paletten bekommt man oft gebraucht und günstig oder sogar kostenlos in größeren Logistikzentren in der Nähe des Flughafens. Werkzeuge muss man in vielen Ländern nicht kaufen, da es außerhalb Europas üblich ist sich die Werkzeuge nach Bedarf zu mieten. Einfach zum nächsten Schreiner gehen und fragen, wie viel er haben möchte, wenn man ihm seine Säge und den Akkuschrauber für ein paar Tage entführt. Man ist verwundert wie günstig das ist.
Letzer Spartipp: Fracht rechtzeitig abholen! In vielen Flughäfen wird das Motorrad 24 - 72 Stunden kostenlos zwischengelagert, danach wird es teuer. 30€ pro Frachtgut pro Tag sind da keine Seltenheit. Wer also sein Motorrad fliegen möchte und plant, ein paar Wochen später nachzukommen, der könnte eine böse Überraschung erleben...
Begriffe:
Handling Fee - Bearbeitungsgebühr
Dangerous Goods Fee - Gefahrgut Aufschlag
Clearance - Zollabfertigung
Clearing Agent - Zollabfertigungs-Helfer
Storage Fee - Lagerungsgebühr
Shipping Agent - Spediteur
Fork Lift - Gabelstapler
Fumigation - Begasung/Hitzebehandlung zur Insektenvernichtung
Gross Weight - Bruttogewicht
Volume Weight - Volumengewicht
Chargeable Weight - anrechenbares Gewicht