Bericht 16
Zimbabwe
Kilometer 55000 - 56500
Fahrstunden 928 - 953
Reisewoche 75 - 76
10.02.22 - 19.02.22
Wir kommen an der Grenze zu Zimbabwe an und haben ein mulmiges Gefühl. Offiziell sind die Grenzen Zimbabwes noch für den Tourismus geschlossen. Wir haben über befreundete Reisende einen Kontakt bei der Einwanderungsbehörde im grenznahen Mutare, der uns eigenen Angaben zufolge helfen kann, die Grenze dennoch zu überqueren. Es ist neben der Schönheit Zimbabwes, auf die wir uns sehr freuen, auch eine gewisse Investition, die auf dem Spiel steht. 30€ Visum, 50€ Covid-Test, Verlängerung des Mosambik Visums 50€, 1500 Kilometer Umweg, falls wir nicht durch Zim fahren können. Wir hoffen das Beste und laufen lächelnd in das erste Büro auf zimbabwischer Seite. Unsere Covid Tests werden anstandslos akzeptiert, obwohl wir tatsächlich davon ausgehen, dass es sich um eine Fälschung handelt, weil das alles etwas zu schnell ging, um mit rechten Dingen zugegangen zu sein (siehe Bericht Mosambik).
Bei der Einwanderungsbehörde wird es dann spannend.Man weist uns darauf hin, dass die Grenze offiziell geschlossen ist. Wir weisen darauf hin, dass wir von ihrem Kollegen in Mutare anders lautende Informationen haben. Wir zeigen dem Beamten den Verlauf unserer Kommunikation mit seinem Kollegen auf WhatsApp. Er nimmt das Telefon in die Hand und ruft Mr. Tambadini in der Zentrale an und es entsteht eine angeregte Unterhaltung, an deren Ende unser Einreisestempel im Pass und ein Herzliches “Willkommen in Zimbabwe” steht. Das war einfach!
In Mutare legen wir nur einen kurzen Halt ein bevor wir an der Grenze entlang nach Süden weiterfahren. Unser nächstes Ziel ist es, die Chimanimani Berge auf zimbabwischer Seite zu erkunden. Etwas südlich der Melsetta Kreuzung biegen wir nach einem anstrengenden Tag bei den heißen Quellen ab, um uns nach der langen Asphalt Etappe etwas Entspannung zu gönnen. Der Platz mutet wie eine fünf Sterne Lodge an, die jedoch seit zwanzig Jahren vor sich hin modert. Die Kulisse und auch die Quellen sind traumhaft, jedoch sehr ungepflegt. Es ist schade zu sehen, dass dieses Potenzial so verschwendet wird. So brechen wir am frühen Morgen ohne große Umschweife auf. Zumindest das Zelten war günstig und die Nacht ruhig.
Erneut biegen wir bei der Melsetta Kreuzung ab, diesmal jedoch nach Osten. Wir möchten uns den Chimanimani Bergen entlang der östlichen Höhenstraße nähern. Diese stellt sich als äußerst sehenswert heraus. Ständig bergan schlängelt sie sich genau auf der Grenze Zimbabwe-Mozambik immer weiter in den Himmel. Ein paar kleine Bergdörfer, an denen die Jahrhunderte spurlos vorüber gezogen sind, liegen auf der Piste. Hier hat sich noch keine Stromleitung hin verirrt oder sie sind wieder rückgebaut worden in den vergangenen Jahren des Niedergangs, seit der langjährige Präsident Mugabe die Wirtschaft aus dem Land geworfen hat. Auf jeden Fall ist es idyllisch und die Menschen winken uns freundlich, während wir die leuchtend grünen Bergrücken eingerahmt von vereinzelten Schleierwolken bewundern. Die Piste ist zwar auch einige Jahre nicht mehr präpariert worden, aber die wenigen Abbrüche, die in den kleinen Flusstälern vom Wasser aus dem Weg gerissen worden sind, können wir mit den Motorrädern problemlos umfahren.
In Chimanimani, zentraler Ausgangspunkt für Expeditionen in den gleichnamigen Nationalpark, lassen wir uns mit unserem Zelt auf der Wiese der “Heaven Lodge” nieder. Wir können kaum von den Motorrädern absteigen, als Emmanuel und seine Familie uns schon herzlich empfangen. Er verwaltet die Heaven Lodge für seinen südafrikanischen Freund aus Durban. Was die Anlage angeht hat er freie Hand und so finden wir uns in einem grünen Paradies aus Blumen in allen Farben, Weinreben, uralten und ganz frischen Bäumen und Sträuchern wieder. Wo keine Zierpflanzen oder englisch gepflegter Rasen wächst, umgarnt uns der süßliche Duft von Emmanuels liebster Heilpflanze, dem Hanf. Mittendrin errichten wir unser Zelt. Die Stimmung ist friedlich entspannt, als wir am Abend in dem englischen Kolonialbau mit seinen dicken, rußgeschwärzten Balken zusammen mit der Familie vor dem offenen Kamin sitzen und Geschichten austauschen. Es gab eine Zeit, da blühte hier nicht nur der Hanf sondern auch der Tourismus, die Kaffeefarmen und Weingärten. Etwas wehmütig sehnt sich Emmanuel diese Zeit zurück, als er noch täglich den Pizzaofen anfeuerte und die grüne Terasse mit Blick auf die felsigen Gipfel zum Brechen voll war mit hungrigen Gästen, die seine, über die Ortsgrenzen hinaus bekannten Backkünste, genießen wollten. “Das war bevor wir sie alle davongejagt haben”. Eine kurze Zeit lebten wir in Saus und Braus und dann war das Geld von den verkauften Maschinen und Ländereien aufgebraucht und auch das Wissen um die Bedienung der Sachen, die noch benutzbar waren, hatte keiner. Wir konnten weder Kaffee anbauen oder rösten, noch die Felder effektiv bestellen und Touristen kamen auch keine mehr.
Die jüngere Geschichte Zimbabwes ist ein gut gemeintes Experiment, das gehörig nach hinten losging. Was wird passieren, wenn wir alle weißen Investoren aus dem Land werfen und die Farmen, Fabriken, Maschinen und das Kapital dem Volk geben? In den Gesprächen mit Emmanuel, der zu Beginn wie viele Zimbabwer von der Idee begeistert war, kann man gut sehen, dass es nicht so einfach ist die Produktionsgüter einfach gerecht aufzuteilen, um ein gerechtes Land zu bekommen, in dem alle etwas vom Kuchen bekommen. Die Welt ist leider viel komplexer, auch wenn die Idee im Grunde keine Schlechte war. Man sieht heute leider in dem ganzen Land, welches einmal als Schweiz Afrikas galt, wie sich alles zurückentwickelt hat.
Nach drei Tagen in den Bergen und vielen tiefgründigen Gesprächen mit Emmanuel haben wir das Gefühl langsam in Zimbabwe angekommen zu sein. Von Chimanimani trägt uns die Straße wieder nach Norden in ein weiteres großes Bergmassiv Zimbabwes, die Nyanga Berge. Wir haben hier schon Freunde, bevor wir überhaupt eintreffen. Damian, ein erfahrener Motorradfahrer und Mitglied der Simbabwe Biker Association hat uns übers Internet eingeladen ihn zu besuchen. Er wohnt in Harare und hat eine Farm in der Nähe von Nyanga. Hier verbringt er oft das Wochenende mit seiner Familie. Neben der kleinen Farm, auf der Damian einen Großteil seiner Lebensmittel selbst anbaut und einen Teil verkauft, hat er in den letzten Jahren auch einen Campingplatz und ein paar urige Steinhütten angelegt. Wir können uns nicht dagegen wehren, wir müssen unbedingt in einer der gemütlichen Hütten zwischen den Felsen übernachten. Sie sind tatsächlich zum Teil in den natürlichen Fels gehauen, teilweise aus dem entstandenen Abbruch gebaut und mit den Gräsern der nahen Steppe gedeckt. Es gibt auf jeden Fall schlimmere Verpflichtungen. Ein paar Fotos sollen wir machen und eine ehrliche Rezession im Internet hinterlassen. Na, das fällt nicht schwer. Es ist tatsächlich einer der schönsten Plätze, auf denen wir in Afrika übernachten durften.
Doch es kommt noch besser: Kurze Zeit nach unserem Eintreffen kommen unsere französischen Freunde aus Mozambik vorbei. Arnaud und Perrine mit der kleinen Mahaut und ihrem Bruder Abel. So schnell sieht man sich wieder. Natürlich haben wir diesmal ein bisschen geschummelt, es ist keine rein zufällige Begegnung. Wir haben ihnen Tags zuvor ein paar Tipps für den Grenzübertritt gegeben und ihnen mitgeteilt, wo wir die nächsten Nächte verbringen. So haben sie beschlossen von der Grenze in Mutare aus mal ein paar Kilometer mehr zu fahren, um uns zu besuchen. Wir haben die Vermutung, sie wurden von den Kindern etwas genötigt. Mahaut hat Joana schon vom ersten Moment an ins Herz geschlossen und Abel ist von den Maschinen begeistert und konnte es kaum erwarten uns wieder zu sehen.
“Wann fahren wir eine Runde?” ist die erste Frage von Abel. “Jetzt!”, antworte ich und so wird er direkt von Arnaud hinter mich gesetzt, damit wir die Pisten der Farm erkunden können. “Ich will auch mit!” meint Mahaut. “Ok, auf zur nächsten Runde!” Es ist uns nichts zu schade, um den spärlichen Motorrad Nachwuchs zu fördern. Je früher die Kleinen sich für das coolste Fortbewegungsmittel der Welt begeistern, desto besser. Am Abend laden die Franzosen zum gemeinsamen Grillen. Wir tauschen uns über unsere Grenzerfahrungen in Mutare aus, reden über die Fotografie in dieser passenden Kulisse und die Kinder können sich nicht von Joana losreißen. Das Feuer brennt bis tief in die Nacht. Die Wanderung durch die umliegenden Inselberge, die dem Camp seinen bezeichnenden Namen “Hidden Rocks” geben, ist einmalig. So haben wir uns den Zimbabwischen Busch vorgestellt. Grün bis zum Horizont, durchdrungen von tropischer und subtropischer Vegetation, durchzogen von kleinen Flüssen und Bachläufen und durchstoßen von spitzen Berg- und Felskuppen, die dem Ganzen einen interessanten Kontrast geben. Über allem die unnatürlich hoch schwebenden Wolkenfetzen und am Nachmittag vereinzelte Kumulus Wolken, die den Busch gelegentlich mal etwas mit Regen überziehen und damit das leuchtende Grün erhalten.
Als wir von Nyanga aufbrechen und uns von Damian und seiner Frau Haley verabschieden stellen wir fest, dass wir gar nicht so viel Zeit hatten uns kennenzulernen, woran Arnaud und seine Familie nicht ganz unschuldig sind. Wir sind, genau wie Damian an diesem Tag unterwegs in die Hauptstadt Harare. Kurzerhand lädt er uns ein, in Harare einfach in seinem Familienhaus zu übernachten. Wird gemacht! So fahren wir an diesem Tag von Damian zu Damian. Dort angekommen beziehen wir die Gartenhütte von Haleys Mutter, die es mit ihren 70 Jahren vorzieht in den Wintermonaten für ein paar Monate durch Sambia und Namibia zu touren. So ist die Hütte frei und wir können entspannt von hier aus Harare erkunden. Was wir uns auf keinen Fall entgehen lassen dürfen, so Damian, ist Harares berühmte “Biker Bar”, Treffpunkt der Zimbabwe Bikers Association und Ausgangspunkt vieler Motorradtouren durch das ganze Land. Zusammen gehen wir an einem Mittwochabend zum Absacker in den kultigen Schuppen. Wir sind froh, dass es Mittwoch ist, denn für unseren Geschmack ist schon genug los. Was hier am Wochenende abgeht, können wir uns nur vorstellen. Wir treffen eine weitere Ikone der Motorradszene hier. Ein Schrank von einem Mann, der in seiner Flicken übersäten Lederjacke auch direkt von seiner Harley nach der Tour über die Route 66 kommen könnte. Er stellt sich als “Papa Bear” vor. Lachend verschlingt seine Pranke unsere Hände bei der Begrüßung. Wir müssen auch lachen ob der klischeehaften Situation hier in der Biker Bar. Es passt alles zusammen, nur nicht nach Simbabwe. Aber wer bestimmt schon wie es in einem Land auszusehen hat? Uns gefällt es hier, auch wenn wir alles außer diesem eingefrorenen Fleckchen amerikanischer Motorradkultur aus dem letzten Jahrhundert hier in dieser sonst so afrikanischen Metropole erwartet hätten. Über Zweizylindern Motoren, Schmerzen am Gesäß, Heizgriffe an der Enduro, Autoreifen auf Harley Felgen und Auspufftuning bei ohnehin schon zu lauten Motorrädern vergessen wir ebenfalls die Zeit. Damian erinnert uns schließlich daran, dass er am nächsten Morgen arbeiten muss. Ups! Das kann man schon mal vergessen, wenn man auf der Reise ist.
Wir sind am Wochenende zur großen Ausfahrt eingeladen, lehnen aber dankend ab. Uns wird im Laufe der Gespräche klar, dass die Hälfte der Biker wohl schon zum Frühstück vor der Tour das ein oder andere Bier leert und sich dies im Laufe der Tagestour selten bessert. Außerdem haben wir eine etwas interessantere Einladung von einem weiteren Simbabwer Motorradfahrer, der im Süden für die Welthungerhilfe arbeitet. Der Abschied von Damian, Hayley und den drei Kindern kommt am nächsten Tag, nachdem wir Damians Bootsbaufabrik besucht haben. Er baut und richtet dort für Yamaha Boote und Yachten. Mitten auf dem trockenen Hochland Zimbabwes :-D. Wir sagen Lebwohl und wünschen uns wie so oft mehr Zeit zu haben. So langsam wir unterwegs sind, wird es der unglaublichen Gastfreundschaft doch nicht gerecht und Damian hatte noch tausend Pläne mit uns... Beim nächsten Mal!
Die Straße nach Süden führt uns an einem langen Tag über 450 Kilometer direkt von Harare nach Gokwe zu Thomas und seinem Projekt der Welthungerhilfe. Die Straße verläuft die meiste Zeit über schnurgerade durch die Steppe. Die Landschaft ist fast eintönig, der Verkehr hält sich in Grenzen. Es ist schon entspannend nach dem Stadtgewusel in Harare. Die Distanz macht sich dann am Abend allerdings doch bemerkbar, aber wir haben uns den falschen Tag ausgesucht, um bei Thomas zu entspannen. Einer seiner Kollegen hat ausgerechnet heute Geburtstag und selbstredend werden wir direkt bei unserer Ankunft, gleich nachdem alle unsere Motorräder bewundert haben, zur Party eingeladen. Etwas erschöpft nehmen wir die Einladung natürlich dennoch an. Allein beim Anblick des leckeren Grillbuffets sind wir glücklich über unsere Entscheidung. Wir dürfen ausführlich von unserer Reise berichten und das Geburtstagskind ist sichtlich erfreut über unseren Besuch von so weit her. Wie erschlagen fallen wir an diesem Abend in Thomas Gästebett. Erst am nächsten Morgen sind wir wieder aufnahmefähig für seine angekündigte Projektführung. Thomas ist gerade dabei die Früchte des langjährigen Engagements in die Obhut einer lokalen Initiative zu geben. Ziel der aus dem Projekt hervorgegangenen Gruppe von geschulten Landwirten ist es die Erträge aus der ortsansässigen Landwirtschaft zu bündeln, indem sie die Ernte zu einem fairen Preis ankaufen und mit gebündelter Kraft auf den Märkten in Harare verkaufen. Wenn die Kleinfarmer das selbst versuchen, werden sie oft von Investoren über den Tisch gezogen, die ihnen oft nur lächerlich geringe Summen für ihre Ware bieten. Selber können sie aber nicht nach Harare, um einen besseren Preis zu erzielen oder ihre Ware gar zu exportieren. Gebündelt können sie sich in diesem Geschäft besser behaupten und haben natürlich auch mehr Fachwissen in ihrer Initiative als im Einzelkämpfer-Modus. Wir bewundern die projekteigenen Maschinen, die neue Hühnerzucht und investieren direkt in die neue Mango Ernte, die bereits den zweiten Trockenprozess durchlaufen hat. Lecker!
Mit Thomas bleiben wir auch nach unserem Besuch in Kontakt. Er will nun über Zimbabwes Grenzen hinaus mit seinem Motorrad ein paar Touren unternehmen und wir können uns mit ein paar Tipps zu den besten Reiserouten erkenntlich zeigen für diesen interessanten Besuch in Gokwe.
Auf dem Weg zur Grenze wird uns schmerzlich bewusst, dass knappe zwei Wochen viel zu wenig Zeit für ein so weitläufiges und vielfältiges Land wie Zimbabwe sind. Leider jedoch hat unser Motorrad bald einen Termin mit dem Flugzeug und das setzt uns etwas unter Zeitdruck. Ein neuer Kontinent steht schon fest...