Reisebericht 12 Namibia Süd
Kilometer 34.000 – 41450
Fahrstunden 590 – 695
Reisewoche 50 – 58
13.08.2021 – 16.10.2021
7450 Kilometer gefahren in 105 Stunden auf 66 Reisetage
Uis. Ein über Jahre verlassenes und erst vor kurzem wieder zum Leben erwecktes Minenstädtchen. Ein kleiner Markt, Tankstelle, zwei Unterkünfte, ein Campingplatz, ein Restaurant und der Grund, warum die meisten überhaupt bis hier ins Hinterland kommen: Die große Zinnmine, die nun wieder in Betrieb geht. Alte Wunden, tief in den schwarzen Fels gegrabene Schluchten, große Abraumhügel, zahllose Pisten und Pfade haben sich über die Jahrzehnte aufgetan und werden nun wieder vom Schlagen und Brummen der Mahlwerke beschallt.
Im Brandberg Rest Camp trifft man sich nach Feierabend oder einer langen Tagesetappe durch die Wüste. Südafrikanische Bergleute, russische Geologen, Reisende aus vielen Ländern und die einheimischen Urgesteine sitzen bei Bier und Feuer zusammen. Eines dieser Urgesteine ist Basil: Eigentümer, Verwalter, Hausmeister, Schankwirt und Geschichtenerzähler. Ein Wirt, der noch selbst hinter der Theke steht und sich um seiner Gäste Wohl kümmert. Als er unsere Motorräder hört, kommt er mit erhobenen Armen durchs Tor geschritten und wir werden erstmal väterlich gedrückt, fast schon zerdrückt. Basil ist Motorradfahrer und wir gehören damit zur selben Familie.
Gut aufgehoben im Brandberg Rest Camp ,entscheiden wir etwas länger zu bleiben. Tags darauf kommt eine weitere Motorradtruppe auf dem Zeltplatz an. Heiner, seine Frau Barbara, Martin, Karl und Nick kommen mit ordentlich Schalldruck auf den sandigen Platz gerollt. Der kernige Einzylindersound erinnert mich an vergangene Tage mit meiner Yamaha XT600. Tatsächlich sind sie bei näherer Betrachtung mit den Töchtern meiner ersten Reisemaschine unterwegs: Drei 660er Teneres, Heiner mit einer BMW älteren Baujahres und gerade als wir uns fragen, wie sie mit diesem leichten Gepäck hier überleben wollen, kommt Barbara mit dem Versorgungsfahrzeug um die Ecke.
An diesem Abend sitzen wir alle zusammen am Feuer und Heiner macht den Koch. Es scheint sehr routiniert und wirkt so als sei die Truppe schon länger unterwegs. Auch die angedeuteten Geschichten, die bei uns mangels Anfang und Ende der Erzählung, aus dem Kontext gerissen scheinen, sorgen bei den anderen für heiteres Lachen. Zur späteren Stunde, als die Geschichten dann auch noch mit immer undeutlicherem Akzent wiederholt werden, fühlen wir uns manches Mal ein bisschen fehl am Platz. Als Heiner allerdings seine Gitarre rausholt, geht uns das Herz auf. Die erdigen Melodien in der stillen, sternenklaren Nacht mit dem Geruch eines runtergebrannten Feuers in der Nase und dem Brandberg-Massiv im Hintergrund, das wird noch lange im Gedächtnis verweilen.
Am kommenden Morgen treffe ich nach einem kurzen Gespräch mit Heiner die wirklich spontane Entscheidung, zwei Tage unserer Reise gemeinsam zu begehen. Spontan, weil wir noch eine halbe Stunde Zeit haben uns fertig zu machen und weil Joana, noch im Zelt liegend, noch nichts von ihrem Glück weiß. Sie ist zu Beginn dementsprechend nicht so begeistert, auch weil am Vorabend mächtig angegeben wurde, was man doch alles schon für Pisten bezwungen habe. Sie ist sich nicht sicher, ob sie mithalten kann. Barbara erleichtert es uns, indem sie unsere zügig zusammengestopften Taschen einfach auf den Geländewagen lädt und uns somit einige Last abnimmt. Wir sind pünktlich fertig, stopfen uns noch etwas Obst in die Taschen und frühstücken, während der Tankwart die Motorräder befüllt. Das dauert hier zum Glück immer etwas länger als in der Heimat.Die gemeinsame Etappe soll uns um den Brandberg herum führen, durch die alte Brandberg West Mine, den Ugab Fluss und die zerklüfteten Gobobos Berge, hinein in den Messum Krater. Wir verlassen Uis auf der C35 nach Süden und biegen dann auf die D2342 Richtung Westen ab. Je höher der Buchstabe im Alphabet, desto niedriger die Priorität der Piste. Die kleineren D und F Pisten sind dementsprechend meist von schlechterer Qualität als die großen A, B und Cs. Es gibt immer mal wieder ein paar sandige Abschnitte, bei denen wir uns schon konzentrieren müssen. Karl, Martin und Nick schießen grundsätzlich vorneweg, Heiner, Barbara, Joana und ich genießen die Landschaft und nehmen es etwas ruhiger. Wir machen Mittag in der verlassenen Brandberg West Mine, deren offene Stollen und tiefen Schluchten zum Erkunden einladen. Mit dem Motorrad kann man ohne Probleme überall rumfahren, es ist ein Abenteuerspielplatz für die großen Jungs und auch Joana hat ihren Spaß. Über das ebenfalls verlassene Rhino Camp und den Ugab River fahren wir zu den Gobobos Bergen, auf der Suche nach einer Amethysten Mine von Heiners Freund Lorri. Nicht jedoch ohne, im seit Jahren verlassenen Rhino Camp, eine Abkühlung im abgestandenen Pool zu nehmen. Bei dreißig Grad in der dicken Schutzkleidung eine willkommene Gelegenheit die Körpertemperatur wieder etwas nach unten zu korrigieren, die auch das trübe Wasser nicht vermiesen kann.
Es ist noch früh am Nachmittag und wir wollen noch ein paar Kilometer zurücklegen, bevor wir an unserem Schlafplatz in Lorries Mine ankommen. Die Motorradklamotten werden schnell übergeworfen, trocknen tun wir während der Fahrt von alleine. Ein kleines Stück fahren wir auf der bekannten Piste zurück, bevor uns Heiners Karte, die Lorrie bei einem Treffen vor einigen Tagen mit einem Stöckchen in den Sand malte, an einem alten Reifen am Straßenrand nach rechts in die Gobobos Berge führt. Wir fahren auf immer kleineren Pisten, eigentlich eher Pfaden, in dieses staubtrockene Wüstengebirge hinein. Fels, Stein und Staub. An der ersten Mine welche an einem der Bergrücken klebt, fragen wir nach, ob wir hier richtig sind. Der steile Anstieg wird zuerst von Karl und mir als Kundschafter in Angriff genommen. In dem Bretterverschlag der selbstständigen Edelsteinschürfer riecht es wie auf einer Mariuana Farm und zahlreiche Bierdosen verteilen sich rundherum zwischen den rötlichen Steinen.
Der Blick von hier oben ist atemberaubend. Es scheint wie ein anderer Planet. Jedoch ist das nicht die einzige Kleinmine in dieser Gegend. Obwohl auf den ersten Blick jedes Zeichen von menschlichem Leben fehlt in diesen Bergen, erfahren wir hier, dass es viele Pfade und noch mehr Löcher im Boden gibt, die auf der Suche nach Steinen geschlagen worden sind. Lorries Mine jedoch liege angeblich genau auf der anderen Seite des Hauptkammes dieser zerklüfteten Laune der Natur. Es gäbe den langen Weg außen herum und den etwas kürzeren mittendurch. Wenn ich mir Joana so anschaue, glaube ich, der längere, aber gemächlichere Weg wäre wohl die bessere Wahl. Die Mehrheit unserer Reisetruppe sieht das anders und möchte „schnell“ ankommen. Joana und ich wechseln einen vielsagenden Blick, sagen aber dazu nicht viel. Karl fährt schon auf dem vermeintlich direkten Weg auf den Hauptkamm zu. Während ich mich auf die Wegbeschreibung des eher weniger zurechnungsfähigen Bergmannes nicht so richtig verlassen möchte, ist Karl, der sich die Beschreibung des zotteligen Mannes genau eingeprägt hat, voll auf Spurensuche. Der Rest von uns hintendrein. Nach ein paar Sackgassen und Bergtälern, mal in die richtige, mal in die falsche Himmelsrichtung, stehen wir bei Sonnenuntergang immer noch auf der falschen Seite der Berge. Wir nehmen es entspannt, räumen ein paar Steine aus dem Weg, bauen in dem malerischen Tal auf diesem fremden Planeten unsere Zelte auf und hoffen, die Nacht bringt uns die Eingebung, hier wieder heraus- und den Weg durch die Felsen auf die andere Seite zu finden.
Der Himmel wandelt gerade seine Farbe von hellem blau in leichtes orange, was die Felsen in ein leichtes rot taucht. Die Luft ist kühl und das Wasser auf dem Benzinkocher beginnt gerade kräftig zu dampfen, als sich die Sonne schüchtern über den Horizont schiebt und ihre warmen Fühler bis in unser Tal streckt. Kurze Zeit später ist der Kaffee fertig. Die Stimmung ist hervorragend. Auf der, von gestern noch warmen Feuerstelle, werden ein paar Brotscheiben geröstet und mit frischer Avocado belegt. Sie sind nur der Auftakt zu Heiners knusprigen Spezial-Sandwiches mit einem bunten Mix aus namibischer Wildwurst, Zwiebeln, Tomaten, Avocado und jeder Menge Chili. Mit neuer Energie starten wir das Motorenkonzert und jeder folgt der verwischenden Staubfahne vor ihm. Wir kennen die Berge nun schon etwas besser, die Fahrt über die losen Steine geht heute leichter von der Hand. Karl hat den richtigen Riecher und führt uns, nur durch eine kleinen Sackgasse unterbrochen, an einem Stück über die unbekannten Pfade auf die andere Seite der Berge und in den Messum Fluss hinein. Diesem folgen wir mit unserer ausgeruhte Reisegruppe durch teilweise tiefen Sand, loses Geröll und ein paar Felskanten bis er uns in den Weiten des Messum Kraters ausspuckt. 20 Kilometer im Durchmesser mit einem Felskern aus Granit in seiner Mitte. Er ist wie der Brandberg und das Erongo beim Auseinanderbrechen des Godwana-Kontinents vor 130 Mio Jahren entstanden, hat jedoch nie die Höhe der beiden benachbarten Vulkanmassive erreicht und kann deshalb problemlos befahren werden. Der Untergrund besteht aus festem Sand und die tellerförmige Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckt, lädt zum Heizen ein.
Unsere Wege trennen sich hier leider nach viel zu kurzer Zeit. Die Chaos-Reisetruppe um Heiner schlägt den Weg nach Westen ein und fährt auf die Küste zu, während wir uns in den kommenden Tagen einen Weg durch die Dünen zwischen dem Ugab Fluss und dem Doros Meteoritenkrater bahnen. Wir werden jedoch das Gefühl nicht los, dass wir uns nicht zum letzten Mal begegnet sind. Namibia ist kleiner als man denkt. Mit Karls Abschiedsworten „Immer am Gas bleiben und ARSCH NACH HINTEN“ graben wir uns, nun mit vollem Gepäck, unseren Weg zurück zu der Hauptpiste Richtung Uis. Joana ist begeistert wie gut sie mittlerweile zurechtkommt mit ihrem Erzfeind: Dem Sand. Wir schaffen es problemlos zurück nach Uis, werden dort von Basil wieder herzlichst empfangen und richten uns auf die nächste Etappe ein. In gerader Linie versuchen wir vom Ostende des Brandbergs, genauer der White Lady Lodge, über den Doros Krater nach Twyfelfontein zu gelangen. Schnell stellt sich dieser Plan als große Herausforderung für Mensch und Maschine heraus. Ein 25 Kilometer breiter Dünengürtel mit tiefen Sandpassagen, gefolgt von 80 Kilometern spitzer Felsen muss überwunden werden. Es gibt zahllose Pisten, Wege und Pfade und welcher der beste ist, kann nur mit dem Bauchgefühl entschieden werden. Die Strapazen werden jedoch von der grandiosen Einsamkeit dieser ausgesetzten Landschaft und einigen atemberaubenden Begegnungen mit den einheimischen Hornträgern kompensiert. Das Gefühl ein Teil dieser Wildnis zu sein gipfelt in der Begegnung mit einem Spitzmaul-Nashornbullen, welcher sich direkt neben unserem Pfad in einem einsamen Flussbett unter einem der wenigen Kameldornbäumen zur Siesta niedergelassen hat. Als wir wenige Meter neben diesem Koloss vorbeirollen, erhebt er sich und trottet mit einer ungeahnten Eleganz die steile Böschung des Flussbetts hinauf und geht seiner Wege. Wir stehen noch eine Weile ehrfürchtig da und schauen ihm hinterher.
Man spürt langsam, dass der Sommer im Anmarsch ist. Die Temperaturen steigen stetig und die Wüste, sofern das überhaupt möglich ist, wird noch brauner und trockener. Das begünstigt zusammen mit dem starken Wind um diese Jahreszeit leider auch die Ausbreitung von massiven Waldbränden im Osten des Landes, zumindest dort, wo noch etwas wächst, was brennen kann. Zwischen Khorixas und Otjiwarongo fahren wir viele dutzend Kilometer über schwarz gebrannte Erde. Die Piste ist von verkohlten Bäumen gerahmt, der Geruch von Feuer und aufgewirbelte Aschewolken liegen in der Luft. Hier und da qualmen ein paar letzte Brandherde vor sich hin, während das Feuer weitergezogen ist. In weiter Entfernung bäumt sich eine schwarze Wand aus Qualm auf und verdunkelt den Horizont. Die Sonne ist selbst zur Mittagszeit nur ein schwacher orangener Punkt über unseren Köpfen. Es scheint nie richtig hell zu werden und die dicke Luft macht das Atmen schwer. Die Temperaturen steigen trotzdem über dreißig Grad unter dieser grauen Glocke. Wir machen wenig Pause und viele Kilometer ,in der Hoffnung, irgendwie zu entkommen. Wie das Wetter, so ist auch die Stimmung drückend und grau. Man kann sich seiner Umgebung oder dem Wetter auf der Reise schwer entziehen. Wer auf der Straße lebt, muss wohl lernen damit klar zu kommen.
Ein Lichtblick in diesen etwas tristen Tagen ist unser Besuch im Cheetah Conservation Fund. Eine spendenfinanzierte Initiative zur Bewahrung der gutmütigsten und leider auch seltensten aller Großkatzen und zur wissenschaftlichen Aufklärung ihrer ärgsten Feinde, der Farmer. Die Tiere werden oft mit ihren aggressiveren Verwandten, den Leoparden oder Löwen, verwechselt und fälschlicherweise erschossen, obwohl sie den Nutztierbeständen nur selten gefährlich werden. In alter Gewohnheit, als erfolgreichste aller Jäger, bevorzugen die Geparden Wildtiere als Beute. Der Cheetah Conservation Fund ist hier eine der wenigen Projekte, die zwischen den Tieren und ihrer Ausrottung stehen, da neun von zehn Geparden mangels Schutzgebieten mittlerweile auf Farmland leben müssen. Wir werden überaus freundlich begrüßt, der Campingplatz wird eigens für uns eröffnet, obwohl er sich gerade noch in der Renovierung befindet und es gibt eine große Einführung in die verschiedenen Projekte des Vereins. Von der Aufzucht der Gepardenwaisen, deren Eltern erschossen wurden, über die Verhaltensforschung an den wilden Exemplaren, die auf den 70.000 ha Schutzgebiet leben, bis zur Zucht und Vermarktung von Herdenschutzhunden zur Vermeidung von tödlichen Angriffen auf des Farmers Tiere, wird hier im Einklang mit den betroffenen Farmern alles getan, um die Akzeptanz und das Überleben der Geparden zu fördern. Man kann die Waisen beim Spielen und Kuscheln beobachten und wir sind fasziniert wie Bewegung, Gestik, Mimik, das Schnurren und der Umgang mit den Pflegern den Gewohnheiten unserer Hauskatzen ähnelt. Man bekommt hier wirklich ein anderes Bild von dieser vermeintlich gefährlichen Raubkatze. Neben dem Spiel der Waisenkatzen gibt es natürlich auch die Möglichkeit mit einem Führer Geparden in freier Wildbahn zu sehen oder der Fütterung beizuwohnen. Alles verhältnismäßig günstig. Man könnte hier auch mehrere Tage oder Wochen bleiben, Praktika in Tierpflege, Tiermedizin, Forstwirtschaft oder Projektmanagement absolvieren und natürlich Freiwilligenarbeit leisten. Wir hatten wirklich das Gefühl, dass die Gelder hier sinnvoll eingesetzt werden und machen an dieser Stelle guten Gewissens ein bisschen Werbung für diese tolle Initiative: https://cheetah.org/
Nachdem die Kätzchen unsere Stimmung, entgegen der drückenden Luft, etwas gehoben haben, brechen wir mit neuer Energie zum Waterberg Plateau auf und erfahren gleich wieder einen gehörigen Dämpfer. Der Eintritt zum dazugehörigen Nationalpark ist völlig überteuert, ebenso die Campingmöglichkeiten. Noch dazu ist die Infrastruktur ,wie so oft in staatlichen Einrichtungen, veraltet und hat erheblichen Wartungsstau. Die Uniformierten sind unfreundlich zu uns und zeigen absolutes Unverständnis, als wir freundlich nach einem Preisnachlass fragen. Wir brechen am späten Nachmittag wieder auf und versuchen vergeblich einen abgelegenen Schlafplatz in dem Zaungewirr zu finden. Der Osten Namibias scheint völlig abgeriegelt. Farmen rechts und Farmen links. Ein Zaun hässlicher als der andere. Wir können mit den Tieren mitfühlen, die keinen Platz mehr in ihrer eigenen Welt haben und von den Farmern immer weiter eingeengt werden. Es gibt hier keinen Quadratmeter Freiheit mehr. Und die Farmen farmen nicht einmal. Kaum ein Rind, Schaf oder Pferd ist zu sehen, geschweige denn irgendeine Spur von Ackerbau. Es wirkt fast so, als ginge es bei dem Zaunbau lediglich um das Abstecken des Besitzes. Die Zäune sagen uns: Dieses Land gehört mir, weil ich es mir leisten kann! Wir bauen unser Zelt hinter einem kleinen Busch direkt neben der Straße auf der verkohlten Erde auf, gerade als die Sonne untergeht. Außer Zäunen wird hier auf dem Land nicht viel investiert, keine Schneisen, keine Wasserreservoirs, wodurch das Feuer ungezügelt wüten kann. Es ist wohl besser sich dort nieder- zulassen, wo schon alles vernichtet ist, um nachts nicht vom nahen Knistern aufzuwachen. Es riecht die ganze Nacht wie in einem kalten Kaminofen. Meine Lunge und mein Rachen ist so trocken, dass erste oberflächliche Gefäße platzen. Ich muss mein regelmäßiges Training unterbrechen und die Inhalation von Kochsalz verdreifachen. Es macht gerade wirklich keinen Spaß mehr durch diese staubige, rauchige Einöde zu treiben.Zwei Tage später treffen wir in Windhoek ein. Emilia heißt uns erneut in ihrer Wohnung im ruhigen Wohnviertel Academia im Süden der Stadt Willkommen. Es stehen wieder einmal Reparaturen an. Durch die erheblichen Vibrationen der Wellblechpisten, dem allgegenwärtigen Sand und die stete Hitze mit hoher UV Strahlung werden die Gummis porös, die Pillen zermahlen, die beweglichen Teile schwergängig, die Reißverschlüsse, Bremsbeläge, Kettenglieder etc. kaputtgeschmirgelt, das Insulin überhitzt. Es macht auf jeden Fall viel Spaß in Namibia zu reisen und zu fahren, doch es ist auch ein verschleißreiches Vergnügen. Ich lerne also die handwerkliche Infrastruktur in Windhoek noch etwas besser kennen und mache mich an die Arbeit. Es gibt viel zu tun. Die Motorräder werden nach den vielen Erfahrungen im groben Gelände weiter optimiert und vor allem das Gewicht reduziert. Nun fliegt wirklich jedes Gramm raus was nicht zum Fahren benötigt wird. Mehr dazu im nächsten Technik Bericht.
Der Hauptgrund nach Windhoek zu kommen, ist die Hilfsbereitschaft unseres neuen Freundes Thomas West. Thomas ist vor einem Monat, kurz nachdem wir uns auf der Straße getroffen haben, für eine Impfung in die Heimat zurückgeflogen und hat uns angeboten bei seiner Rückkehr eine neue Medikamentenlieferung und ein paar Ersatzteile für die Maschinen mitzubringen. Nun ist es soweit: Er ist wieder da! Mit vollen Koffern und Lieferung frei Haus. Wir treffen uns in Emilias Wohnung und Joana und ich freuen uns über seine Hilfsbereitschaft. Er hat alles dabei. Unsere Stimmung hebt sich wieder über das vergangene Tief. Die Problematik mit der Lunge ist wegen des immer noch sehr trockenen Klimas noch nicht ganz ausgestanden, aber zumindest habe ich jetzt wieder eine sichere Basis, ordentlich Kochsalz und ein Notfallmedikament im Falle einer weiteren Verschlimmerung der Trockenheit. Thomas möchte noch nicht einmal den Dank annehmen und meint, das sei doch alles selbstverständlich. Ein klasse Typ. Unter Reisenden hält man doch zusammen, meint er. Nach einem gescheiterten Versuch mit Frank mal wieder eine Runde mit den kleinen Enduros durch die Berge zu pflügen, muss ich mir eingestehen, dass mein Körper gerade nicht zu Höchstleistungen in der Lage ist.
Es ist wohl nach den ausgedehnten Geländeetappen etwas Erholung nötig. Eine Woche kühles, feuchtes Meeresklima ist genau das, was jetzt helfen sollte. Wir fahren mal wieder nach Swakopmund. Dort kommen wir bei Christiane und Alfred unter. Die beiden haben wir in einer Lodge mit Campinglatz mitten in der Namib Wüste kennen gelernt. Sie haben ein Gästezimmer für uns und wir haben eine sehr erholsame Woche zusammen. Spaziergänge am Strand, das gute Essen von Christiane und die handwerklichen Gespräche mit Alfred geben uns das Gefühl wirklich willkommen zu sein. Gemeinsame Freunde haben wir, wie das hier in Namibia so oft vorkommt, auch eine Hand voll. Einer davon verfolgt uns sogar, wie uns jetzt auffällt, schon seit einiger Zeit in den sozialen Medien. Dieser Bernd. Bernd Knopp von Reise macht Weise. Heiner hat uns schon von seinen gemeinsamen Touren mit ihm erzählt, Uwe von der Airport Guest Farm hat eines seiner Motorräder gebunkert, welches wir schon bewundert haben, und nun stellen wir fest, dass Bernd der Schwiegersohn von Christiane ist. Die Welt ist mal wieder klein in dieser Motorradszene und wie es aussieht, wird Bernd sehr bald mit seinem Motorrad durch Namibia kurven. Mal sehen ob man sich trifft.
Die Woche bei Christiane und Alfred verfliegt förmlich. Nach vielen Übungen, Spaziergängen am Wasser und ordentlichem Training fühle ich mich wieder stark und voller Energie. Mehr Details zu den Auswirkungen der verschiedenen Klimazonen auf den Körper gibt es im nächsten Medizinbericht. Wir verabschieden uns von unseren beiden Gastgebern und begehen auch den emotionalen Abschied von unserer namibischen Großfamilie, den Kruegers.
Nun widmen wir uns dem noch unbekannten Süden dieses schönen Landes. Da dürfen natürlich die Dünen des Sossusvlei nicht fehlen. Wir fahren mit einer Übernachtung im Tal der 1000 Hügel immer am Rand des Namib-Naukluft Nationalparks bis zu den weltbekannten Sandbergen. Leider erfahren wir vor Ort, dass wir mit den Motorrädern nicht hinein dürfen, obwohl die Straße asphaltiert ist. Den halben Nachmittag verbringen wir damit über die nahen Campingplätze zu laufen, um eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Wie es so oft ist, teilen die am liebsten, die selbst nicht so viel haben. Ein russisches Pärchen mit dem kleinsten Auto, einem Suzuki Jimmy, lädt kurzerhand seine Vorräte, Wasser, Zelt etc. aus, lässt alles unter einem Baum liegen und bietet uns ihren Rücksitz an. Zu viert quetschen wir uns in den Dreitürer und auf geht’s in die Dünen. Yippie!

Über die berühmte D707, eine Empfehlung unseres Fahrtrainers Karl, geht es natürlich immer mit viel Gas und dem Arsch nach hinten gen Süden. Bei einem Abstecher nach Lüderitz können wir der Gegend, außer dem kostenlosen Sandstrahlservice der Motorräder und erheblichen Nackenschmerzen vom Kampf gegen den Wind, nicht viel abgewinnen. Zurück auf die Hauptpiste und ab ins Grüne. Grün? In Namibia? Alles scheint vom Sand und Staub verschluckt um diese Zeit, die Büsche und Bäumchen, die man findet, sind braun, doch ganz weit im Süden, so sagt man, da gäbt es tatsächlich einen Fluss.
Mit WASSER drin! Der Orange River. Schroffe rotorangene Felsklippen, auf denen kein Strauch wächst, die Luft flimmert über dem Gestein, eine staubige Piste, die sich in einem schmalen Canyon bergab schlängelt, führt uns immer tiefer in die Schlucht. Die Sonne steht tief und leuchtet schon lange vor ihrem Untergang tieforange in der dunstigen Luft, die von den heißen Nachmittagswinden verwirbelt wird. Etwas Ungewöhnliches liegt in der Luft, Feuchtigkeit. Die Temperatur sinkt etwas. Der Duft von feuchten Steinen, einem Anflug von Gras und Blättern dringt durch das Staubtuch vor meiner Nase. Es wirkt wie eine Einbildung, als wir Wasser rauschen hören und plötzlich hinter der nächsten Kurve: Ein glasklares Flüsschen, eingerahmt in ein grünes Band mit vielen hübschen Inseln darin. Wir sind an der Grenze zwischen Namibia und Südafrika. Green River sollte man ihn nennen, so saftig wie uns die Pflanzen nach dieser langen Zeit in der Wüste vorkommen. Man sagt, er spüle die Diamanten in die See vor der Küste Namibias, von wo aus sie durch die Strömung nach Norden ins Diamantensperrgebiet getragen werden. Wir würden an diesem Abend mit unserem Zelt auf grünem Gras auf jeden Fall keinen Tropfen Wasser für einen Diamanten hergeben.Solange irgend möglich bleiben wir auf der Piste an diesem schönen Fluss. Dieses Fleckchen wäre in vielen Ecken der Erde nichts besonderes, doch in dieser Gegend und nach dieser Zeit der Trockenheit ist es ein Juwel. Wir wissen nun auch unsere fruchtbare und wasserreiche Heimat ein bisschen mehr zu schätzen. Der morgige Tau auf dem Zelt, der Joana sonst sehr verärgert, da man das Zelt nicht feucht einpacken sollte, ist ein willkommener Gast. In der frischen Morgenstunde erfreuen wir uns nochmals am Anblick und machen nebenbei viel zu viele Fotos, bevor wir wieder nach Norden fahren, um uns die frischen Quellen in Ais-Ais und den zweitgrößten Canyon unserer Erde, gegraben über Jahrmillionen vom Fish River, anschauen.
Danach fahren wir über Ketmannshoop nach Koes und von dort durch den südlichen Teil der namibischen Kalahari. Immer Düne rauf, Düne runter, Düne rauf… In Ketmannhoop wird unser Vertrauen kurz erschüttert, als Joana, bei dem Versuch Geld abzuheben, von hinten die Kreditkarte entrissen wird. Keine 90 Sekunden später jedoch ist die Karte von uns bereits blockiert worden und der feige Dieb hat nur noch ein Stück Plastik in der Hand, noch bevor er es zum nächsten Geldautomaten geschafft hat. Jetzt können wir schon drüber lachen :-D
Eine freudige Nachricht erreicht uns noch auf dem Weg durch besagte Dünen. Wir bekommen Besuch. Dirk und Diana, unsere Freunde vom Motorrad-Reise-Treffen in Gieboldehausen möchten uns in Windhoek treffen. Sie reisen zusammen mit Sandra und Guido, den ich schon per E-mail als Redakteur des Tourenfahrers kennen lernen durfte. Da wird sich doch bestimmt mal ein Ründchen zusammen fahren lassen! Auch DIESER Bernd wird wohl in ein paar Tagen in der Hauptstadt sein und wie es der Zufall will…
Angekommen in Windhoek sind wir sogleich in der Mountain View Lodge zum Essen eingeladen. Ein lustiger Abend mit Dirk und Co. voller alter Geschichten und Benzingespräche bis fast in die Sperrstunde hinein ist die Folge. Wir würden am liebsten direkt mit der Truppe aufbrechen, aber zuerst müssen wir unsere Aufenthaltsgenehmigung in Namibia verlängern. Drei Monate sind schnell rum. Am einfachsten geht das bei der Einwanderungsbehörde im Hafen von Walfishbay. Also wieder rauf auf die Maschinen und runter zur Küste!
Die Formalitäten sind tatsächlich schnell erledigt. Ein Vormittag und der Stempel ist im Pass. Wie immer bei solchen Formalitäten fällt uns ein Stein vom Herzen, als es erledigt ist. Diese Papiersachen sind immer ein Stein im Weg eines jedes Reisenden, noch dazu einer, den man nicht mal eben wegtreten kann. Mit dem Kopf durch die Wand geht es da selten. Vielleicht fällt es mir ja deshalb jedes mal so schwer diesen Kram zu erledigen. Jetzt wollen wir doch mal sehen wo die anderen sind. Die Kommunikation und die Routenplanung quer durchs Land ist leider nicht so einfach und flexibel wie wir uns dachten, wenn man hier nur drei Wochen Zeit hat. Wir fahren und reden etwas aneinander vorbei und so kommt es leider nicht dazu, dass wir gemeinsam rollen. Dann eben ein andermal.Wie man es unter Freunden so macht,wenn man in der Nähe ist, statten wir Heiner und Barbara einen kleinen Besuch ab. Heiner ist gerade in der Endphase der Planung einer legendären Motorradtour. In ein paar Tagen soll es losgehen. Wo soll es wohl hingehen? Natürlich in die berüchtigten Gobobos Berge, in denen wir uns beim letzten Mal so hoffnungslos verirrt haben. Die Tour hat natürlich eine längere Geschichte, die wir direkt in aller Ausführlichkeit erfahren.
Heiner hat von seinem Freund Jodie eine geschichtsträchtige Bluesgitarre bekommen,um diese zu reparieren. Stilecht muss diese, nun da sie in Heiners Händen wieder neues Leben eingehaucht bekommen hat, mit einem bluestauglichen Konvoi aus sieben Bikern und ordentlich Sound zurück in die Gobobos Berge eskortiert werden. Die Gobobos Blues Tour. Dabei ist Nick als Kameramann und Regisseur, Bernd als Dronenpilot (DIESER Bernd) und Heiner als erfahrener Gobobos-Führer. Schon während der bildreichen Erzählung Heiners von Motorrädern, die staubige Fahnen hinter sich herziehen, gefahren von bärtigen Männern, die mit der Gitarre am Rücken auf ihren Bikes dem Sonnenuntergang entgegen fahren, muss Joana grinsen. Ihr ist klar, dass ich dabei sein muss! Heiner beendet seine Erzählung mit einem Lagerfeuer inmitten der Wüste, unter dem sternreichen Firmament, an dem die Gitarren den Blues spielen. Wir schauen uns an…und sind dabei!
Bernd treffen wir schon ein paar Tage zuvor. Das ist also DIESER Bernd. Ein netter Kerl scheint er zu sein, denken wir uns schon bei der ersten Begegnung in den Erongo Rocks. Drei Tage fahren wir zusammen, bevor wir am Tag vor der großen Tour bei Heiner aufschlagen. Wir haben ein bisschen mit Bernd geübt und hoffen alle, dass wir Manns genug für den kommenden Blues sind. Ich mache Pizza für alle. Nick kommt vorbei, Heiners Sohn Alex schaut im Dienst mit dem Rettungswagen herein und holt sich seine Portion, Bernd, Barbara, Joana und ich genießen eine schönen Abend. Die Ruhe vor dem Sturm.
Die Tour beginnt afrikanisch. Heiners Ölkühler muss in der Nacht vor der Abreise noch repariert werden, Nick ist zu krank, um mitzukommen, ein Fahrer muss noch arbeiten, der Nächste bekommt von seiner Frau nicht frei. Heiners Heckdämpfer beginnt auf den ersten Metern zu lecken, Barbara bekommt einen Anruf, dass ihr Kredit für den Dienstwagen der Praxis geplatzt ist. Lorrie, der uns persönlich zu seiner Mine führen möchte, damit wir sie diesmal finden, taucht einfach nicht auf. All das gehört zum Blues. Nachdem der Darwinismus gnadenlos zugeschlagen hat, sind nun drei echte Männer und zwei knallharte Frauen übrig. Vier Bikes, fünf Zylinder, ein Begleitfahrzeug zur Sicherheit (-im Falle der groben Misshandlung der physikalischen Grundgesetze durch die Piloten). Fünf dröhnende Endtöpfe, zwei Gitarren und ein Regenmacher, das ist genug Sound für ein geiles Wochenende. Auch wenn alles schiefgeht: Hauptsache es gibt eine Ausrede Motorrad zu fahren. Lasst den Blues beginnen!

Gemeinsam bezwingen wir die Gobobos Berge ein weiteres Mal. Wir finden die Mine und auch wenn Lorrie nicht dort ist, haben wir einen klasse Abend. Die Gitarre wird an dem Ort ihrer Bestimmung abgegeben. Es geht von dort nach Uis zu Basil, der uns wie immer in die Arme schließt und am liebsten gleich auf sein Gefährt springen würde, um mit uns aufzubrechen. Zusammen erklimmen wir die weiße Düne und genießen die untergehende Sonne am rotglühenden Horizont. Wir bezwingen den Ugab Fluss, baden in der Elefantentränke, umrunden bei mörderischen Temperaturen das gesamte Brandbergmassiv und sacken abends bei einem kühlen Bier auf einem Baumstamm zusammen, stolz auf uns und unsere Tour. Bernd hat an diesem Wochenende seine Lehrlingsprüfung in der Disziplin des Sandfahrens beim König des Sandes, Heiner Kittel, bestanden.
Bestand haben wird auch die Erinnerung an unsere schöne Zeit in Namibia und die Freundschaften, die wir dort geschlossen haben, auch wenn es für uns nun heißt: Abschied nehmen!Es wartet eine neue Etappe, ein neues Land auf uns…