Joshua Steinberg
Kilometer 15.500 – 21.400
Fahrstunde 261 - 390
Reisewoche 31 – 34
(05.04.2021 – 30.04.2021)
5900 Kilometer gefahren in 129 Stunden aufgeteilt auf 26 Reisetage.
Auf dem Rückweg von Mombasa nach Nairobi bekommen wir einen Anruf von Peter. Als zentraler Anlaufpunkt für alle Probleme und Fragen in und um Kenia hält er uns immer auf dem Laufenden. „Ihr könnt euch impfen lassen!“. „Wir sind gegen alles geimpft“ erwidere ich mit Blick auf meinen Impfpass. 51 Einträge sind da auf die etwas mitgenommenen gelben Seiten gequetscht. „Nein ich meine gegen Corona“ erwidert Peter und teilt uns mit, dass er gerade die erste Dosis intus hat. „Ok, ich werde mich mal informieren.“
Drei Tage später sitzen wir in einer kleinen Arztpraxis des Bliss Medical Center Westlands im gleichnamigen Viertel Nairobis. Wir haben uns für den kostenpflichtigen Sputnik V entschieden, welcher hier in verschiedenen Privatkrankenhäusern verabreicht wird. Hohe Immunität und nur drei Wochen Abstand zwischen den beiden Spritzen kommen uns gelegen. 60€ pro Schuss, preiswert, wenn man sich die Kosten für so manch andere Impfung in unserem gelben Büchlein anschaut. Wir haben außerdem ein gutes Gewissen, beanspruchen wir doch auf diese Weise auch keine der kostenlosen Dosen für die lokale Bevölkerung. Der ganze Prozess läuft erstaunlich reibungslosund zügig. Online melden wir uns an, drei Tage später haben wir den Termin. Bezahlung per Smartphone, auszufüllende Formulare und ärztliche Aufklärung per Email. Wir kommen mit den Papieren und dem Zahlungsbeleg im Medizinischen Zentrum an und verlassen dieses eine Stunde später mit einem guten Gefühl. Der Ablauf wirkt sehr routiniert. Hygienisch haben wir keine Bedenken, alle halten Abstand, tragen Handschuhe und Masken. Wir verbringen das Wochenende wieder bei unserem Freund Alfred. Der Kühlschrank ist voll mit gesunder Nahrung, wir haben genug Wasser, Tee und Kaffee für die nächsten Tage und auch der Lesestoff sollte uns nicht so schnell ausgehen. Nun warten wir auf die Nebenwirkungen. Wir geben Claudio von Pegaso Reisen noch ein Interview über unseren Reisefortschritt und gehen dann etwas schlapp sehr früh schlafen. Nach 15 Stunden ruhigem Schlaf wachen wir beide auf und sind fit. Soviel zu den heftigen Nebenwirkungen, die oft beklagt werden. Das Wochenende verläuft ereignislos.
Gesund und motiviert brechen wir drei Tage nach der Impfung auf, um Kenia endlich mit dem Motorrad zu erkunden. Regierungsmeldungen zufolge wurde über Nairobi und die umliegenden Regionen eine Reisebeschränkung verhängt. Wir lassen uns mal überraschen. Unser Ziel heißt Mwingi. Dirk und Diana, unsere Motorradreise Freunde vom MRT haben uns gebeten einem ihrer Schützlinge von vergangenen Kenia Hilfsprojekten eine Spende zu übergeben. Reisebeschränkung hin oder her, der Auftrag wird erledigt. Auf die nächste Regionsgrenze zufahrend merken wir, wie der Verkehr immer weniger wird. Die breite Straße ist fast menschenleer. Kurze Zeit später sehen wir warum. Die Reisebeschränkung wird wohl doch konsequenter durchgesetzt als noch in Tunesien. An der Regionsgrenze Machakos – Kitui ist die Straße militärisch abgeriegelt. Quer stehende Militärtrucks, Metallgatter und neue Nagelbleche mit unterarmgroßen Dornen liegen auf der Straße. Wir fahren bis zum vordersten Mannschaftszelt und erkundigen uns sogleich nach dem Einsatzleiter. Wir setzen uns mit unserer Landkarte an den Tisch und besprechen unseren Reiseplan. Wir erzählen von der Impfung, unseren disziplinierten Schutzmaßnahmen und den geplanten Übernachtungen im Zelt, weit weg von den großen Städten. Kurze Zeit später befinden wir uns wieder auf Kurs…nach Mwingi. Wir haben die kritische Regionsgrenze nach zehn Minuten Diskussion hinter uns gelassen. Ein „Willkommen in Kenia“ ruft uns der Oberst noch hinterher. Er freute sich offensichtlich unsere Geschichte zu hören. Ein bisschen Abwechslung am langweiligen Kontrollposten in der Steppe Nord-Ost Kenias. Die Entscheidung uns passieren zu lassen, fiel ihm nicht schwer, nachdem wir unsere Absichten und unsere Art zu reisen erklärten. Wir seien mit unserer Vorsicht eindeutig ein zu vernachlässigender Faktor in der Verbreitung des Virus, meint der Einsatzleiter, und winkt uns zum Abschied.
Wir kommen unbehelligt in Mwingi an und suchen uns einen schönen Platz außerhalb des kleinen Städtchens um unser Zelt aufzubauen. Endlich wieder Camping. Über der Steppe im Norden tobt ein tropisches Gewitter. Wir erahnen das dumpfe Grollen und sehen die Blitze in sicherer Entfernung über den Horizont flackern. Die kommende Regenzeit kündigt sich an und wir hoffen auf einen milden Verlauf. Die Nacht bleibt trocken. Wir biegen nun von Mwingi aus nach Norden ab. Nach einigen Kilometern verschwindet der Asphalt und weicht einer zweispurigen Erdpiste. Nach 20 Kilometern sehen wir am Rand der Piste einen jungen Mann, der uns aufgeregt, an einen Baum gelehnt, mit seinen Gehhilfen winkt. Das muss er sein: Anthony. Ihm und seinem Vater Geoffrey überbringen wir die Spende, um ihnen durch schwierige Zeiten zu helfen. Anthony hatte einige Monate zuvor einen Motorradunfall. Ein LKW ohne Bremsen, hier keine Seltenheit, hat ihn und seinen Fahrer im Gedränge des dichten Verkehrs Mwingis vor sich hergeschoben und das Motorrad schließlich überrollt. Der Fahrer hat nicht überlebt. Die Versicherung des profitablen Transportunternehmens weigert sich bis dato zu zahlen, obwohl die Polizei vor Ort die Schuldfrage eindeutig geklärt hat. Mit dem Motorrad hat man, wie auch bei uns in der Heimat, nicht viel zu lachen. Man zieht rein physisch immer den Kürzeren und wird obendrauf gerne als Raser und Unfallverursacher verdächtigt. Anthony musste mehrere Operationen im 200 Kilometer entfernten Nairobi durchlaufen. Er ist zwar krankenversichert, aber für die Fahrtkosten kommt hier niemand auf. Vater, mittlerweile Opa Geoffrey, muss die ganze Feldarbeit alleine erledigen. Er kommt kaum hinterher. Anthonys Frau kümmert sich um die beiden Kinder, die Tiere und die Verpflegung der ganzen Familie. Die Ernte wird schwächer ausfallen und auch anstehende Reperaturen an Haus und Hof werden verschleppt. Es regnet in die Hütte und Opa Geoffrey muss im kleinen 2x2 Meter Getreidespeicher schlafen. Einen Handwerker beauftragen, um das Dach in Stand zu setzen? Schwierig, ohne sich das Geld vom Mund und von dem der Kinder abzusparen.
Anthony setzt sich kurzerhand hinter mich aufs Motorrad, verstaut seine Krücken zwischen uns und dirigiert uns auf engen Pfaden durch frisch bestellte Felder. Wir fahren zwischen vielen kleinen Lehmhütten und spielenden Kindern mit erstaunten Blicken hindurch. Es ist ein bisschen, als würden wir durch ihr Wohnzimmer rollen. Am Ende des Pfades stellen wir die Maschinen im Schatten einer großen Akazie ab. Wir blicken auf vier Hektar Ackerland, frisch besät mit Mais, und in vier lächelnde Gesichter. Anthonys Familie hat uns schon erwartet. Bei einem leckeren Tee fangen wir an zu erzählen, wie es zu diesem Treffen kommt, was wir auf dem Weg nach Kenia so alles erlebt haben und sprechen über unsere gemeinsamen Freunde Dirk und Diana. Die Spende der beiden kommt hier genau zum richtigen Zeitpunkt. Wir zweifeln nicht daran, dass sie von den beiden Empfängern sinnvoll eingesetzt wird, um Anthonys Gesundheit zu erhalten und der Familie eine bessere Ernte einzubringen. Es wird wohl auch noch für das Dach der Hütte reichen. Die Dankbarkeit ist den beiden Spendern sicher und wir nehmen sie stellvertretend mit viel Freude entgegen. Wir haben in Anthony einen Freund gefunden und werden auch seine Geschichte nicht so schnell vergessen.
Solche kleinen Spenden können mitunter sehr gut angelegt sein. 2011 habe ich auf meiner ersten kleinen Tour nach Afrika, damals noch eher Urlaub mit Wanderschuhen und Rucksack, beim Trampen durchs Land einen jungen Kenianer kennen gelernt. Ismail. Er hatte Probleme wegen der schlechten finanziellen Lage seiner Familie. Sein Vater war krank und seine Mutter hatte nicht genug Geld für ihn und seine vier Geschwister zusammen bekommen. Er wollte als ältester die Schule schmeißen, obwohl seine Leistungen sehr gut waren, und als Beach Boy Schmuck verkaufen, um etwas zum Einkommen der Familie beizutragen. Ich habe ihm kurz vor meiner Abreise den Rest meines eingeplanten Urlaubsgeldes gegeben, da Kenia viel günstiger war als geplant. Das Geld hat gereicht ein kleines Mopped zu kaufen, mit dem er und seine Brüder auch nach der Schule als Taxifahrer Geld verdienen konnten und die Mutter schneller und günstiger auf den größeren Markt in die nächste Stadt fahren konnte, um für weniger Geld einzukaufen und für mehr Geld ihr Gemüse zu verkaufen. Ich habe Ismail vor kurzem besucht und es war eine Freude zu sehen, dass er das Geld sinnvoll investiert hat, in Bildung. Ismail ist nun fertig mit Studieren. Er ist Lehrer in der staatlichen Schule in Malindi.

Wir kehren ein in der Castle Forest Lodge. Sie liegt 2100 Meter über Meereshöhe und mitten im unberührten Regenwald des Mount Kenya Nationalparks. Wasser kommt aus einer Quelle direkt über den Hütten und eine kleine Farm an der Bergflanke unweit des Camps versorgt das kleine Restaurant der Lodge mit frischem Gemüse, Milch und bei Bedarf auch Fleisch. Die Lodge liegt nicht in unserer Preisklasse, aber wir können für kleines Geld unser Zelt auf der Panoramawiese aufbauen. Wenn wir Feuer unter dem Wasserkessel hinter dem Duschhüttchen entfachen, haben wir eine Stunde später sogar heißes Wasser. An diesem idyllischen Plätzchen treffen wir endlich mal wieder auf andere Reisende. Seit drei Monaten haben wir von anderen Globetrottern im besten Falle mal was im Internet gelesen.
Marion und Anatol sind mit ihrem Mitsubishi Allrad Camper „Leon“ seit 30 Monaten unterwegs. Wie wir sind sie von ihrer Heimat, Frankreich, aufgebrochen, um den Süden Afrikas zu erreichen. Sie haben die Westroute gewählt, sind schließlich bis Namibia gekommen und dann nach Osten abgebogen. In Mozambique haben sie die schlimmste Phase der Pandemie ausgesessen. Nun sind sie wieder unterwegs nach Norden, um die Ostküste des Kontinents zu erkunden. Ihre Berichterstattung hat auf YouTube vor allem im französischsprachigen Raum große Kreise gezogen. Ihr könnt ihre Reise hier https://youtube.com/c/LesMariolesTrotters verfolgen. Endlich mal ein paar Reisende in unserem Alter. Die beiden sind uns mit ihrem kleinen Bus und ihrer lustigen Art auf Anhieb sympathisch. Wir stellen schnell fest, dass wir trotz der verschiedenen Transportmittel fast die gleiche Ausstattung dabei haben und sogar unser Reisebudget sich deckt, ganz zu schweigen von unseren Ansichten zu verschiedenen Themen rund ums Reisen. Es tut richtig gut sich mal wieder ausführlich mit anderen Reisenden auszutauschen, sich über die Besonderheiten der letzten Monate zu unterhalten und zu merken, dass man vielleicht doch nicht so allein ist wie man denkt. Natürlich haben wir täglich Kontakt zu den Menschen um uns herum, doch egal wie weit man versucht sich anzupassen und mit den Leuten über interessante Themen zu reden, man merkt immer wieder, wie verschieden man ist. So kann man sich auch umringt von Menschen gelegentlich sehr einsam vorkommen.
Am folgenden Tag unternehmen wir vier eine Wanderung zu einem nahegelegenen Wasserfall. Wir werden von Hudson begleitet, einem Bergführer aus Naru Moru. Auf dem Rückweg unterbreitet er uns das Angebot mit ihm auf den Mount Kenya zu wandern. Ohne uns das Angebot anzuhören, lehnen wir ab. Horrorgeschichten von über 800€ für eine fünftägige Besteigung haben wir schon im voraus zur Genüge gehört. Wir haben den Berg allein wegen der Nationalparkgebühren schon aus unserem Reiseplan gestrichen. Dazu kommt die Gebühr für den obligatorischen Guide, die Träger und die Übernachtungen. Keine Chance. Marion ist da schon interessierter und hört sich Hudsons Vorschlag an. Wir können es kaum glauben. Der Nationalpark hat seine Gebühren um zwei Drittel gesenkt, die Übernachtungen im Zelt sind kostenlos und Hudsons Team macht uns ein Sonderangebot. Es scheint wirklich schwierig um den Tourismus zu stehen. 270€ für die fünftägige Besteigung. Eintritt, Träger, Führer, drei warme Mahlzeiten, Kaffee, Tee, Wasser und Transport zum Einlass inklusive. Wir schauen uns kurz an und lachen dann los.
Zwei Tage später stehen wir mit unseren vollen Motorradpacksäcken, geliehenen Regenponchos und Plastiktüten in den Turnschuhen am Naru Moru Gate - das Tor zum Mount Kenya. Hudson und sein Team aus vier Trägern, einem Guide und einem Koch schälen sich mit ihren Rucksäcken aus einem japanischen Kleinwagen. Sie verteilen Lebensmittel, Schlafsachen, Regenjacken und Kochgeschirr gleichmäßig auf ihre Packsäcke. Wir tragen nur unser Tagesgepäck und Wasser, Hudsons Team übernimmt den Rest. Es hilft keine Diskussion, wir dürfen ihnen keine Last abnehmen, das sei schließlich ihr Job. Gut ausgerüstet und mit einem breiten Grinsen machen wir uns auf, den 4985 Meter hohen Lenana Gipfel zu besteigen. Knappe 3000 Höhenmeter in etwas weniger als 48 Stunden liegen vor uns, bis wir als Finale über den angeblich höchsten Klettersteig der Welt am Gipfel ankommen. Eine Temperaturdifferenz von 49°C erwartet uns auf dieser Expedition durch vier Klimazonen.
Vom Naru Moru Gate führt uns eine befestigte Straße 600 Höhenmeter und acht Kilometer bis zur meteorologischen Messstation an der Baumgrenze der Südflanke des Berges. Wir trocknen unsere Sachen vom letzten Regenschauer in einer kleinen Hütte neben der Station. Der Küchenchef kommt mit seinem uralten Mc. Donalds Pullover undefinierbarer Farbe hinein, deckt den Tisch und erläutert uns das heutige Menü. Sein Aufzug bringt ihm für den Rest der Tour den Namen „Mister Mc. Donald“ ein. Seine Kreationen könnten jedoch von der amerikanischen Fast-Food Kette kaum weiter entfernt sein. In den entlegensten Bergtälern bekommen wir in den nächsten Tagen drei Mal täglich warme, frische Mahlzeiten mit schmackhafter Vorsuppe, eiweißreichem Hauptgang und süßem Dessert. Als uns die Qualität und Quantität des Essens bewusst wird, löst sich meine Angst am Berg hungern zu müssen in Luft auf und wir sind uns einig, dass allein das Essen schon den Weg wert ist. Gut gesättigt und aufgewärmt kriechen wir in unser gemütliches Zelt und schlafen wie die Murmeltiere.
Am nächsten Morgen wachen wir zu dem Duft von Kaffee und frischen Eiern mit Speck auf. Erholt und ohne Nachwirkungen der gestrigen Wanderung schlendern wir rüber in unser Essenshüttchen. Wir sind erstaunt kein Zwicken in den Beinen zu merken. Unsere letzte größere Wanderung liegt immerhin vier Monate zurück. Marion und Anatol sind schon länger auf den Beinen. Sie haben den Sonnenaufgang genossen und natürlich mit ihrer Kamera eingefangen. Sie sehen allerdings auch etwas zerknittert aus. Ihre Nacht in dem geliehenen Zelt mit den günstigen Decathlon Schlafsäcken war wohl etwas kühler, wie sie uns erzählen. Wir sind gerade auf 3000 Metern über dem Meer und die Nachttemperatur wird sich bis zu unserem höchsten Camp noch um 15°C verringern.
Wir wandern durch traumhaften hochmaritimen Urwald. Die Pflanzen duften vom frischen Regen in den frühen Morgenstunden, kleine Bäche kreuzen unseren Weg. Meine Turnschuhe trocken durch diese Landschaft zu manövrieren, erfordert viel Aufmerksamkeit. Am Gipfel erwarten wir Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt, da ist es essentiell die Schuhe bis dahin trocken zu halten, wenn mir meine Zehen lieb sind. Sind sie einmal nass, werden sie hier nicht mehr trocken werden. Feuer ist im ganzen Park strengstens verboten. Die Bäume weichen oberhalb von 3000 Metern langsam einer Heide und Moorlandschaft. Wir nehmen unser Mittagsmahl am Wegesrand ein und brechen nach kurzer Zeit wieder auf. Nach neun Wegstunden treffen wir erschöpft im Mackinders Camp ein. Wir legen uns auf die Bänke vor den Schlafkammern und erst die allabendliche Suppe mit warmem Tee holt uns wieder ins Leben zurück. Nach dem Abendessen offenbart uns Hudson, dass wir unerwartet zügig unterwegs sind und das Wetter morgen sehr gut werden soll. Er würde uns zutrauen ohne Akklimatisierungspause direkt auf 5000 Meter zu steigen. Tatsächlich fühlen wir uns dafür, dass wir bereits über 2000 Höhenmeter hinter uns haben, erstaunlich fit. So spontan wie wir entschieden haben in unserem zweifelhaften Trainingsstand mit Turnschuhen auf den zweithöchsten Berg Afrikas zu steigen, entscheiden wir, den Gipfel einen Tag vorzuziehen.
Um drei Uhr morgens klingelt der Wecker. Die Nacht war kalt. Wir ziehen alles an, was wir dabei haben. Zwei Unterhosen, zwei T-Shirts, kurze und lange Hose übereinander, Jacke, Regenponcho, zwei Paar Socken, Plastiktüten drüber und rein in die Schuhe. Sie werden bei der Temperatur schon trocken gefrieren. Handschuhe und Mütze haben wir keine, sind ja schließlich auf Motorradtour nach Afrika aufgebrochen, da wird’s doch nie kalt! Die gefrorene Erde knirscht unter unseren Füßen. Der Bambusstab, den wir uns als Stütze geschnitzt haben, klackert auf dem harten Boden. Raureif reflektiert das Licht unserer Stirnlampen, über uns sehen wir hin und wieder die Sterne durch den kalten Hochnebel scheinen, während wir einen Fuß vor den anderen setzen.
Vier Stunden laufen wir durch die Dunkelheit stets bergan. Zu Beginn ist die Steigung noch moderat, zieht aber stetig an, bis wir uns auf einem 45° ansteigenden Geröllfeld vorwärts kämpfen. Unser Gefühl für Zeit und Entfernung scheint hier in der völligen Dunkelheit nicht zu funktionieren. Wir verfallen in einen eintönigen Trott, einen Fuß vor den anderen und merken unseren Fortschritt nur daran, dass uns das Atmen stetig schwerer fällt. Wir gewinnen an Höhe und verlieren an Kraft. Es wird echt anstrengend. Nach vier Stunden langsamen Steigens beginnt sich die felsige Spitze des Batian-Gipfels zu unserer Linken gegen den langsam heller werdenden Horizont abzuzeichnen. Als sie gestern Abend kurz aus den Wolken auftauchte, wirkte sie wie eine unnahbare Felsnadel, die bis zum Himmel aufzuragen schien. Nun badet der Gipfel langsam im Orange der aufgehenden Sonne und wir begegnen ihm fast auf Augenhöhe. Noch herrschen hier im Schatten des Berges zweistellige Minusgrade, aber die Sonne verheißt baldige Wärme. Langsam hebt sie sich aus dem Nebel, der die Wurzeln des Berges umspült und enthüllt die Schönheit der alpinen Wüste um uns herum. Das vereiste Geröll beginnt zu knacken und zu knirschen. Als in dieser unwirtlichen Höhe ein Vogelpaar zu zwitschern beginnt, hebt sich unsere Stimmung. Es ist nicht mehr weit! Die letzten einhundert Höhenmeter hangeln wir uns tatsächlich, nur einige Kilometer vom Äquator entfernt, an dünnen Stahlseilen über felsgesprenkelte Schnee und Eisflächen. In der arktischen Zone knapp unterhalb des Gipfels müssen wir nochmal unsere ganze Energie mobilisieren, um die teilweise schwierigsten Kletterpassagen der Naro Muro Route zum Gipfel zu überwinden. Ohne Handschuhe erreichen die Finger eine kritische Temperatur und das Griffgefühl lässt langsam nach. Wir erklimmen die letzte Treppe, posieren stolz am Schild „Höchster Klettersteig der Welt“ und umarmen das Schild „4985 Meter“. Der Blick ist atemberaubend, vielleicht ist es aber auch einfach die Höhe. Kurz taucht der 400 Kilometer südlich aufragende Schwesterberg Kilimandscharo aus den Wolken auf. Wir können quasi von Äthiopien bis Tansania schauen. Wir freuen uns mit Marion und Anatol und danken unserem Führer Hudson überschwänglich. Ein unglaubliches Hochgefühl ergreift uns. Es war unsere erste mehrtägige Bergtour. Auch Marion und Anatol haben noch nie etwas Vergleichbares gemacht.

Nach einer weiteren Nacht am Berg treffen wir wie geplant am Nachmittag des fünften Tages wieder bei unseren Motorrädern am Naru Moru Gate ein. Wir verabschieden uns von Hudson, Mr. Mc Donald und dem Rest des Teams. Jeder bekommt ein ordentliches Trinkgeld für den hervorragenden Service. Wir sind mehr als zufrieden mit unserer ersten organisierten Bergexpedition. Von Anatol und Marion verabschieden wir uns noch nicht. Wir verstehen uns auch nach dieser gelegentlich sehr nervenaufreibenden Tour sogar noch besser als vorher und beschließen gemeinsam ein weiteres Abenteuer anzugehen: Den größten Wüstensee der Erde.
Vier Tage nachdem wir auf dem Gipfel des Mount Kenya bei -10°C im Schnee gestanden haben, donnern wir zwischen Akazien und Kakteen durch die kenianische Steppe. Es herrschen Temperaturen von über vierzig Grad. Die Landschaft wird immer wüstenähnlicher. Im Rückspiegel erkennen wir durch unsere Staubfahnen undeutlich den rot weißen Bus unserer französischen Reisefreunde. Sie sind auf der staubigen Wellblechpiste sehr zügig unterwegs. Gelegentlich drosseln wir die Geschwindigkeit nach den größeren, meist sehr sandigen oder steinigen Flussbetten, die unseren Weg alle paar Kilometer queren, aber ansonsten kommen wir sehr gut zurecht mit ihrer Reisegeschwindigkeit. Hier in den staubtrockenen Ebenen Nordkenias ist es sehr angenehm im Team unterwegs zu sein. Der Bus kann beliebig viel Wasser transportieren und Vorräte, inklusive meines Insulins, mitnehmen und vor allem kühlen. Mit den Mopeds können wir zügiger in unwegsames Gelände fahren, um potentielle Schlafplätze auszukundschaften oder Flussläufe nach Wasser abzusuchen ohne Gefahr zu laufen, uns dabei richtig festzufahren. Es macht richtig Spaß zusammen unterwegs zu sein.
Etwas über 600 Kilometer legen wir vom Mount Kenya bis zum Südzipfel des Turkana Sees zurück. Es wird im Laufe der Strecke immer flacher und immer wärmer. Die Straßen werden zu Pisten und die Pisten werden zu Pfaden. Die Menschen am Straßenrand schauen immer ärmlicher aus und fragen uns regelmäßig nach Wasser oder etwas zu essen. Die meisten gehören dem Stamm der Samburu an, sie tragen ihre schönen Kleider und ihren handgemachten Schmuck mit Stolz. Sie sind sehr höflich, auch wenn wir nichts für sie haben, werden sie nicht aufdringlich und wenn man nach dem Weg fragt, bekommt man immer eine Richtung gewiesen. Nur fotografieren sollte man sie nicht, am besten die Kamera gar nicht erst rausholen, sonst sind Probleme bis hin zu Steinwurfattacken vorprogrammiert. Wir haben diese Erfahrung leider erst selbst machen müssen, bevor wir den Geschichten Glauben schenkten.Die Strecke von Laisamis nach Loyangalani nehmen wir entspannt in zwei Tagen. Die Gegend ist zu schön, um sich zu hetzen. Während wir über die rote Erde gleiten, schweift der Blick von den großen Baobab Bäumen über die verstreuten Akazien zu den grünen Flanken der felsgekrönten Hügel und Berge des Samburu Nationalparks. Frischer Elefantendung zeugt von der Nähe der großen Herden, Antilopen und Strauße heben ihre Köpfe, um uns zu mustern. „Afrikanischer kann es nicht mehr werden“ meint Joana bei unserer Mittagspause im Schatten einer ausladenden Akazie zu unseren Reisegefährten. Anatol erkundigt sich zum wiederholten Mal, ob das sehr schwierig sei mit dem Motorrad diese Pisten zu meistern. Er hält regelmäßig die Kamera aus dem Fenster und macht Fotos und Videos von den Bikes in Aktion. „Schwer zu sagen, setz dich einfach mal drauf“. Joana reicht es nach über 100 Kilometern diesen Vormittag ohnehin langsam. Ihre Jacke und sogar ihr Helm passen Anatol gerade so. Er setzt sich auf die CRF und schaut etwas unsicher zu mir rüber: „Erster Gang ist unten, die anderen nach oben…oder?“ „Jap, wenn du dir unsicher bist, folge einfach meiner Spur und geh nicht vom Gas, wenn es sandig wird!“ Marion manövriert den Bus ausgesprochen zügig über die immer gröber werdende Piste, Joana genießt den Komfort des Busreisens und die Jungs spielen im Dreck. Mit jedem Kilometer wird Anatol sicherer auf seinen zwei Rädern. 60 Kilometer liegen noch vor uns, bis wir Loyangalani erreichen. Die letzten 30 km über loses Vulkangestein. Wir sind beeindruckt! Anatol hat zwar keinen Führerschein, aber auf jeden Fall Benzin im Blut. Und hier in Afrika weiß man, dass ein Motorrad nicht mit Führerschein fährt, sondern mit Benzin!
Die Region Turkana scheint vom Rest Kenias vergessen worden zu sein bei der Entwicklung des Landes. Loyangalani ist nur über eine 250 Kilometer lange Dreckpiste zu erreichen, die in der großen Regenzeit im Herbst für viele Wochen unpassierbar wird. Es gibt keinen Strom oder Wasser, kein Krankenhaus und eine vernünftige Apotheke haben wir seit dem 320 Kilometer entfernten Achers Post nicht mehr gesehen. Die „Stadt“ besteht aus Lehmhütten, gedeckt mit alten Plastiktüten oder Getreidesäcken. Weit und breit findet sich bis zu den Feldern des Mount Kulal keine essbare Pflanze. Wir wundern uns, von was die Ziegen und Hühner, die wir gelegentlich am Rande der Piste sehen, wohl leben. In der Palm Shade Lodge, der aktuell einzigen Übernachtungsmöglichkeit in Loyangalani, dürfen wir unser Zelt und unseren Bus im Garten platzieren.
Fünf schöne Tage verbringen wir hier zusammen. Wir genießen den Sonnenuntergang am See, drehen eine kleine Doku über unsere Reise und machen einen Vergleichstest Bike vs. Bus. Es gibt viel Fisch und viel Reis. Ansonsten scheint man hier nichts zu essen, die hochgewachsenen, schmalen Turkana scheinen nichts anderes zu kennen. Runtergespült wird alles mit Flaschenbier, dem einzigen Anhaltspunkt neben den kleinen Mobiltelefonen, dass wir nicht um 250 Jahre in die Vergangenheit, sondern nur 250 Kilometer abseits der Straße gereist sind. Im Norden der Turkana Region wurde schon vor zehn Jahren Öl gefunden, die Menschen hier scheinen davon aber nicht zu profitieren. Ein riesiger Windpark ist nur 30 Kilometer östlich von hier aus dem Boden gestampft worden. Es verhält sich aber hier wie in unserer Heimat: Nur der, dessen Name auf den Grundstückspapieren steht, profitiert. Die Menschen, in deren Heimat der Park errichtet wird, sehen nichts vom Gewinn. Sie sehen nur den Betonwald.
Nach den fünf heißen Tagen am Wüstensee trennen sich unsere Wege leider wieder. Marion und Anatol bleiben noch etwas in der Wüste, um auf dem See zu kiten, wir haben einen Impftermin in der Hauptstadt. Diesmal lädt uns Peter zu sich, seiner Frau Daniella und Tochter Tara ein. Wir holen uns den zweiten Schuss Sputnik V ab und ruhen uns ein paar Tage aus. Bei mir sind die Nebenwirkungen nach einer Nacht heftigen Fiebers am nächsten Morgen erledigt.Joana kämpft zwei Tage mit Fieber und Müdigkeit, bevor sie wieder fit ist. Dennoch ist es ein kleiner Preis verglichen mit einer ernsthaften Infektion. Bei Peter nutzen wir zum x-ten mal die Werkstatt und erneuern den Hitzeschutz für die Satteltaschen. Es ist die wohl bestausgestattete Motorradwerkstatt Ostafrikas und Peter hat für alles immer eine Lösung parat. Schnell schweißt er zwei Bleche an den Auspuff, versieht sie mit Abstandshaltern aus Kork und ich passe den originalen Plastikschutz an. Wir schreiben ein bisschen an unseren Berichten und genießen das beste Abendessen seit unserem Aufbruch vor acht Monaten. Wir sitzen stundenlang mit Peter am Tisch und erzählen uns Benzingeschichten aus aller Welt. Wir sind voll auf einer Wellenlänge und es ist schnell klar, wir könnten Wochen hier verbringen. Leider läuft unser Visum bald aus. Am letzten Abend gibt es die klassische „Mama-Moni-Pizza“ mit Quark-Öl Teig für die ganze Familie. Ein kleiner Dank für die unzähligen Male, die Peter uns in Kenia den Arsch gerettet hat mit seiner Werkstatt, seinen Reisetipps, Notfall-Überweisungen, Impfbeschaffung und natürlich der überragenden Gastfreundschaft. Der Abschied fällt schwer. Wir hoffen alle, uns eines Tages in Kenia, Deutschland oder sonst irgendwo wiederzusehen.

Peter Pleitz, Loresho, +255 700 4178 04.
Einfach anrufen und nicht vergessen, liebe Grüße zu bestellen! ;-)
Die letzten Kilometer nach neun Wochen Kenia liegen vor uns. Wir verabschieden uns noch bei unserem Freund Alfred, trinken einen letzten Kaffee mit Kefah und fahren dem Kilimandscharo entgegen. An der Grenze Namanga brauchen wir drei Stunden und zweifeln zwischenzeitlich daran, überhaupt drüber zu kommen. Aus unserer Sicht sind alle Dokumente korrekt, der COVID Test ist frisch, wir haben uns korrekt verhalten. An der Immigration eröffnet uns der Beamte dann aber, unser Visum wäre seit über einem Monat abgelaufen. Es ist immer so schön in den Ländern, die wir bereisen, warum müssen die Grenzen immer so verdammt schwierig sein? Nach Ägypten und dem Sudan dachten wir, die schwierigen Linien auf der Karte hinter uns gelassen zu haben. Auf unserem E-Visum, welches wir von der Botschaft per Email bekommen haben, steht schwarz auf weiß, wir haben 90 Tage Aufenthaltsrecht in Kenia. Ohne weiteren Kommentar hat der Beamte bei Einreise am Flughafen Nairobi das Einreisedatum in den Pass gestempelt und in einem unleserlichen Krickel Krackel ein paar Hieroglyphen darüber geschrieben. Wir gingen davon aus, es sei seine Unterschrift gewesen. Tatsächlich soll da laut hiesigem Beamten stehen: Kenia Visitours Permit 1 Monat. Also: Aufenthaltserlaubnis für einen Monat. Klar, sowas weiß man doch, dass jeder Hans mit einer Uniform das genehmigte Visum beliebig und ohne weitere Erklärung kürzen kann! Mit seinem selbstsicheren Grinsen sitzt der Beamte hinter seiner Sicherheitsscheibe und erklärt uns, was er jetzt alles mit uns machen könnte. Er möchte ein „Bitte, bitte, bitte, du bist mit deinem wunderbaren Stempel der größte und wichtigste Mensch im Universum“ hören. Ich erkläre ihm, was er und sein Kollege am Flughafen für Idioten sind, dass sie solche Anmerkungen in Zukunft leserlich, am besten mit Schreibmaschine oder dem so geliebten Stempel in Verbindung mit einer ausführlichen Erklärung machen sollten.
Diese Diskussion ist für uns beide beendet. Wenn die Engländer diese willkürliche Linie woanders gezogen oder ganz weggelassen hätten, könnten wir uns frei bewegen und unser Chef hinter der Scheibe hätte einen vernünftigen Beruf erlernt. Ich gehe zum Motorrad und drehe den Schlüssel um. Es wäre nicht das erste Land in das ich illegal ein- und wieder ausgereist bin, weil die Grenze mir nicht geschmeckt hat. Joana ist nicht wie gewohnt hinter mir. Sie steht noch drinnen und diskutiert mit meinem Freund von der Immigration. Nach fünf Minuten „Lächel, lächel, schwätz, schwätz“ winkt sie mich rein. Er drückt den Ausreisestempel zuerst in ihren Pass, zögert bei mir noch kurz, um zu zeigen, wer hier den Längeren hat und drückt ihn dann doch auf die Seite des Passes. War das echt so schwer? Eigentlich tut es uns immer leid, wenn ein Land im Nachgang wegen dieser Kleinigkeiten einen bitteren Nachgeschmack bekommt. Würden wir auch so werden, wenn unser ganzer Tag nur aus Stift, Papier und Stempel bestehen würde? Vielleicht!
Weiter geht’s zum Zoll. Ein verwunschenes Wort seit Ägypten. Auch der kenianische Zoll soll zu diesem Ruf beitragen. Aufgabe des Beamten ist es einen Ausführungsstempel für das Motorrad auf das Carnet de Passage zu drücken und uns eine gute Reise zu wünschen. Stattdessen fragt er uns nach einer Quittung für die bei der Einreise bezahlte Straßenbenutzungsgebühr. Wir schauen alle unsere Papiere durch, von denen wir die Hälfte nicht einmal mit Sicherheit einem Land zuordnen können. Es ist nichts dabei, was ihm gefällt. „Also habt ihr sie wohl nicht bezahlt“, stellt er grinsend fest. Ich meine zu Joana: „Jetzt ist der Zeitpunkt, meinen unkomplizierten Einreiseplan über die grüne Steppe umzusetzen.“ Das macht dann 21 Dollar pro Motorrad und Monat, wobei jeder angebrochene Monat voll zählt, plus 2 Dollar Strafe pro überzogenen Tag, wobei angebrochene Monate mit 30 Tagen gezählt werden. Also in eurem Fall 90 Tage. Macht 243 Dollar pro Motorrad, Sind ungefähr 400€ für die beiden Bikes. Ja ,genau!!! Zahlen wir doch gerne, besonders weil ich bei Einreise am Flughafenzoll zwei mal gefragt habe, ob wir auch alle Dokumente bekommen und Gebühren bezahlt haben. Ich gebe ihm glasklar zu verstehen, dass er sich glücklich schätzen darf, wenn er die von seinen Kollegen vergessene Straßenbenutzungsgebühr nachgezahlt bekommt. Die horrende Strafe liegt außerhalb unserer finanziellen Möglichkeiten. Wir hätten das alles für eine lustige Geschichte von korrupten Grenzern gehalten, wenn nicht fünf Minuten vor uns ein südafrikanischer Reisender genau dieselbe Summe für seinen Toyota Hilux bezahlt und mit druckfrischer Quittung zum nächsten Schalter spaziert wäre. Warum zur Hölle muss ich auch mit meinem 150 Kg Motorrad dieselbe Straßenbenutzungsgebühr zahlen wie ein 3 Tonnen Pickup? In welchem Verhältnis steht das zur tatsächlichen Straßenbelastung?
Letzten Endes beweisen wir dem Beamten, dass wir alle Zeit der Welt haben und auf keinen Fall vorhaben, die Strafe zu bezahlen. Er setzt sich mit seinem Vorgesetzten in Verbindung. Wir halten den ganzen Verkehr an der Grenze auf und erzählen jedem, was hier mit uns veranstaltet wird. Die anderen Reisenden und auch die Grenzhelfer sind voll auf unserer Seite. Ein Motorrad kann unmöglich so teuer sein, finden sie. Nach zwei Stunden zahlen wir die 63 Dollar Gebühr nach und wechseln auf die Einreiseseite der Grenze. Fünf Minuten später sind wir in Tansania. Wuuuussssaaaaa, denke ich mir und knete meinen imaginären Wut-Ball, um wieder runter zu kommen. Grenze abgehakt! Die Menschen hier können nichts für ihre Beamten, für die kenianischen noch weniger. Wie immer schauen wir auf den ersten Kilometern genau in die Gesichter der Leute, grüßen noch überschwänglicher als sonst und lachen alle an. Es wird zurück gewinkt, die Kinder lachen, sie reißen die Hände in die höhe. „Karibu!“ hören wir sogar im Vorbeifahren: „Willkommen!“ Der Duft von frischem Regen liegt in der Luft, der Kilimandscharo ist zu unserer Linken in Wolken gehüllt, Regenschauer ziehen über den weiten Horizont. Auf unserem Weg scheint die Sonne! Lachend fahren wir in ausholenden Schlangenlinien über den feinen Asphalt, welcher sich kerzengerade zwischen der hügeligen Steppe nach Süden zieht.